THE FACULTY OF SENSING
Thinking With, Through, and by Anton Wilhelm Amo
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Mit THE FACULTY OF SENSING – Thinking With, Through, and by Anton Wilhelm Amo präsentiert der Kunstverein Braunschweig auf Initiative von Bonaventure Soh Bejeng Ndikung ein Projekt zu Ehren Anton Wilhelm Amos, einem herausragenden Philosophen des 18. Jahrhunderts. Anhand von Amos Schriften und ihrer Rezeption werden hochaktuelle Politiken der Bezugnahme, des Vergessens und der Kanonisierung diskutiert.
Mit THE FACULTY OF SENSING – Thinking With, Through, and by Anton Wilhelm Amo präsentiert der Kunstverein Braunschweig auf Initiative von Bonaventure Soh Bejeng Ndikung ein Projekt zu Ehren Anton Wilhelm Amos, einem herausragenden Philosophen des 18. Jahrhunderts. Anhand von Amos Schriften und ihrer Rezeption werden hochaktuelle Politiken der Bezugnahme, des Vergessens und der Kanonisierung diskutiert.
In einem 2013 erschienenen Aufsatz The Enlightenment's 'Race' Problem, and Ours der Philosophieseite The Stone der New York Times fragt sich Justin E. H. Smith, wie und warum Philosophen wie Immanuel Kant oder David Hume es sich leisten konnten so explizit rassistisch zu sein, in einer Zeit in der Anton Wilhelm Amo sich als philosophischer Zeitgenosse behauptete. Die Erklärung dafür findet sich in Löschprozessen, die in Bezug zu Michel-Rolph Trouillots Silencing the Past gelesen werden können.
Anton Wilhelm Amo (*um 1700 – † nach 1753) gilt als erster Schwarzer Philosoph, der eine akademische Karriere in Deutschland verfolgte. Jedoch wurde sein Werk weitestgehend an den Rand gedrängt und geriet in Vergessenheit. Amo studierte in Halle Philosophie und Rechtswissenschaften und positionierte sich mit seiner Dissertation über die Leib-Seele-Problematik (1734) an der Universität Wittenberg und Über die Kunst, nüchtern und präzise zu philosophieren (1738) als früher Denker der Aufklärung.
Anton Wilhelm Amo wurde als Kleinkind aus dem Gebiet des heutigen Ghana verschleppt, versklavt und gelangte über Amsterdam an den Hof von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, von wo aus er seine wissenschaftliche Karriere begann.
Im Rahmen des umfangreichen Recherche- und Ausstellungsprojekts THE FACULTY OF SENSING wurden 16 internationale künstlerische Positionen eingeladen, sich mit dem philosophischen Denken Anton Wilhelm Amos in größtenteils neu produzierten Arbeiten auseinanderzusetzen. Kuratorisch entwickelt sich das Projekt entlang von Fragen nach Amos Verständnis vom Ding-an-sich, dem Leib-Seele-Diskurs, der Rechtsstellung und Anerkennung von Schwarzen Menschen im 18. Jahrhundert und in der Gegenwart, transzendentaler Obdachlosigkeit, der Politik des ‚Naming‘ sowie der Narration und Geschichte der Aufklärung.
Anlässlich der Ausstellung laden wir zu einem Begleitprogramm mit Performances, Künstler_innengesprächen, Workshops und Diskussionsrunden ein. Als Teil dessen findet ein mit Wissenschaftler_innen und Künstler_innen besetztes Symposium statt. Nähere Informationen dazu folgen zu gegebener Zeit.Begleitend zu THE FACULTY OF SENSING – Thinking With, Through, and by Anton Wilhelm Amo entsteht eine Publikation, die theoretische und künstlerische Beiträge der Ausstellung und des Symposiums verknüpft.
Künstler_innen:
OLIVIER GUESSELÉ-GARAI UND ANTJE MAJEWSKI
KONRAD WOLF
Kurator_innen: Bonaventure Soh Bejeng Ndikung, Jule Hillgärtner, Nele Kaczmarek
Kuratorische Assistenz: Franz Hempel, Raoul KlookerGefördert durch die Kulturstiftung des Bundes
Die Ausstellung wird gefördert durch:
Der Kunstverein Braunschweig e.V. wird gefördert durch:
Kooperationen:Amo – Braunschweig Postkolonial
Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttel
Braunschweigisches Landesmuseum
Festival Theaterformen
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
Herzog Anton Ulrich-Museum Brauschweig
Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
Martin Luther Universität Halle/ Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Museum für Photographie Braunschweig
Staatliches Naturhistorisches Museum Braunschweig
Staatstheater Braunschweig
Städtisches Museum Braunschweig
Vertretung des Landes Niedersachsen beim Bund
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OLIVIER GUESSELÉ-GARAI (*1976 in Paris, FRA, lebt in Berlin, GER)
ANTJE MAJEWSKI (*1968 in Marl, GER, lebt in Berlin, GER)Chainchainchain, 2012
Hifi-Anlage, USB-Stick, Textilkabel, Soundfile
Maße variabel
Die kollaborativ entstandene Arbeit Chainchainchain von Antje Majewski und Olivier Guesselé-Garai ist ihrem selbstbeschreibenden Titel nach genau das: eine (Wort-)Kette, eine selbstreferentielle Schleife, ein Loop. In der Rotunde der Villa Salve Hospes zentral positioniert verleitet die Soundarbeit zum Mitsingen.OLIVIER GUESSELÉ-GARAI (*1976 in Paris, FRA, lebt in Berlin, GER)
ANTJE MAJEWSKI (*1968 in Marl, GER, lebt in Berlin, GER)Chainchainchain, 2012
Hifi-Anlage, USB-Stick, Textilkabel, Soundfile
Maße variabel
Die kollaborativ entstandene Arbeit Chainchainchain von Antje Majewski und Olivier Guesselé-Garai ist ihrem selbstbeschreibenden Titel nach genau das: eine (Wort-)Kette, eine selbstreferentielle Schleife, ein Loop. In der Rotunde der Villa Salve Hospes zentral positioniert verleitet die Soundarbeit zum Mitsingen.Als Sample ist ein Auszug des Liedes Chain of Fools von Aretha Franklin zu hören, das 1967 zum ersten Mal veröffentlicht wurde. In dem sich ständig wiederholenden Ausschnitt wird performativ vollzogen, was textlich behauptet wird: Chainchainchain (Kettekettekette). Der um sich selbst mit Kabeln verkettete Lautsprecher transportiert die Tonspur in angrenzende Ausstellungsräume. Die Verknüpfung lässt sich auch als Ausdruck gemeinsamer Autor_innenschaft lesen. Im historischen Kontext, auf den sich die Ausstellung bezieht, hat das Motiv der Kette konkrete Implikationen: Als Symbol für Sklaverei verkörpert sie die Objektivierung zahlreicher gegen ihren Willen eingesperrter und angeketteter Menschen. Ursprünglich als toxisches Beziehungsverhältnis von Franklin besungen, wird in dem melodischen Stück und dem Moment des fröhlichen Mitschwingens das ideologische Potential von Musik hör- und erfahrbar.
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ANNA DASOVIĆ (*1982 in Amsterdam, NLD, lebt in Rotterdam, NLD)
(Re)Producing “Antonius Guilielmus Amo Guinea-Afer” as biography as body. An exercise in unlearning, 2020
Die Praxis von Anna Dasović zielt darauf ab, Wissensbestände zu repräsentieren. Sie entwickelt Werke, denen intensive Recherchen vorausgehen, darunter Arbeit im Archiv, Interviews und bibliographische Recherche. Durch die Reorganisation und Rekontextualisierung von Wissen zeigt Dasović rhetorische Strukturen auf, in die Gewalt und Macht eingeschrieben sind. Diese Neuinterpretation des vorhandenen Materials befasst sich mit der Frage, inwieweit das Verbergen solcher Konflikte ideologisch motiviert ist.In ihrer Antwort auf die Einladung zur Ausstellung hat sich Dasović auf die Erzählungen des Lebens von Anton Wilhelm Amo konzentriert, ihre Quellen überprüft und miteinander verglichen. Was zählt als verlässliches Zeugnis? Was ist subjektive Interpretation oder Spekulation? Dasović vergleicht die Lückenhaftigkeit von Amos Biographie mit denen anderer akademischer Persönlichkeiten seiner Zeit. Sie zeigt, dass Geschichte als gesellschaftliche Konstruktion von Prozessen der narrativen Auslöschung geprägt ist, und, dass diese Auslöschung am stärksten ist, wenn das historische Subjekt nicht weiß ist. Ferner führt sie vor, dass die stillschweigende und rassistische Zensur von Amos Leben und Werk historische Faktizität untergräbt. Indem sie scheinbar glaubwürdige Quellen sondiert, die bei der ersten Inspektion Informationen über Amo zu liefern scheinen, provoziert Dasović weitere Fragen. Mit (Re)Producing „Antonius Guilielmus Amo Guinea-Afer” beleuchtet Dasović historische Aporien, in die sie unbeantwortete Fragen rund um Amos Biografie und Körper stellt, die die Besucher_innen zu einem Prozess des Verlernens einladen. Als künstlerischer Ansatz, der frei von utopischer Ganzheit ist, und frei von der Erwartung, die Auslöschung, die Amo und andere in seiner Position erlitten haben, auflösen zu können, geht es in der Arbeit von Dasović darum, die durch Rassismus hervorgerufenen Unsicherheiten über die Geschichte aufzudecken.
Die Geste von Dasović, diese Aporien zu fassen und sichtbar zu machen, nimmt die Gestalt von Fragen an, die die Künstlerin über den Ausstellungszeitraum hinweg formuliert. Während diese Fragen als gleichzeitiger Rück- und Ausblick auf den Fensterscheiben der Ausstellungsräume der Villa Salve Hospes installiert sind, begegnen sie den Besucher_innen der Ausstellung online auf der Website des Kunstvereins in Pop-up-Fenstern und konfrontieren auf diese Weise mit einem Nachdenken mit und durch Anton Wilhelm Amo.
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LUNGISWA GQUNTA (*1990 in Port Elizabeth, ZAF, lebt in Amsterdam, NLD)
Benisya Ndawoni: Return to the Unfamiliar, 2020
Stacheldraht, Salbei, Lakritz-Strohblume
Maße variabel
Noch vor Betreten des Raums kündigt sich Lungiswa Gquntas Installation Benisya Ndawoni: Return to the Unfamiliar mit den würzig-bitteren Gerüchen von Salbei und getrocknetem Mpepho, einer in Südafrika kultivierten Lakritz-Strohblume an. In Kombination mit den geometrischen Raumzeichnungen aus Stacheldraht, die sich den Besucher_innen hier harsch entgegenstellen, um im nächsten Augenblick beinahe intime Rückzugsorte zu kreieren, wird an Seh-, Tast- und Geruchssinn gleichermaßen appelliert. Dieser multisensorische Ansatz lässt interessante Verbindungen zu Anton Wilhelm Amos Thesen zu, wenn er in Die Apatheia der menschlichen Seele formuliert: „Der Mensch empfindet die materiellen Dinge nicht von seiner Seele, sondern von seinem lebenden organischen Körper aus.“[1]Wichtige Ausgangspunkte ihrer Installation sind Erfahrungen von Zwangsmigration: der kontrollierten bzw. forcierten Bewegung (Schwarzer) Menschen in der Geschichte und Gegenwart. So fragt Gqunta in dem auf isiXhosa verfassten Titel „Wohin gingen Sie?“ und berührt dabei gleichermaßen Fragen nach Zugänglichkeiten und struktureller Gewalt. „Benisya Ndawoni: Return to the Unfamiliar erinnert an all die obdachlosen und daher unsichtbaren Körper, die versuchen ein Zuhause zu finden, und an all die Gewalt, die ihnen während dieser Navigation zugeführt wurde. Es ist eine Hommage an die Migration, die vielen Häuser, die gebaut und zerstört wurden und die wiederum ‚Häuser‘ in uns selbst aufbauen.“ (Lungiswa Gqunta) In der unmittelbaren Verknüpfung von Salbei, Mpepho und Stacheldraht weckt Gqunta widersprüchliche Erinnerungen an private Rückzugorte, aber auch an Ausgrenzung und Verfolgung. Ambivalente Sehnsüchte nach Zugehörigkeit treffen auf das orientierungslose Fließen von Körpern durch unterschiedliche Orte und Sinnzusammenhänge – ein Phänomen für das Georg Lukács die Metapher der transzendentalen Obdachlosigkeit prägte. Mit dem Titelzusatz – Return to the Unfamiliar – bezieht sich Gqunta dann auch auf die Bewegung Amos, der 1746/47 an den Ort zurückkehrte, von dem er in Kindertagen gewaltsam verschleppt wurde und der es verstand aus der Integration unterschiedlicher Referenzsysteme die Qualitäten seiner multilogischen Philosophie zu ziehen.
[1] Amo, Anton Wilhelm: Die Apatheia der menschlichen Seele. In: Antonius Gvilielmus Amo Afer aus Axim in Ghana. Übersetzung seiner Werke. Halle (Saale), 1965, S. 80.
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BERNARD AKOI-JACKSON (*1979 in Accra, GHA, lebt in Kumasi, GHA)
... and we, seeking to remember the roads that lead us back home, get strayed into the essences that will emerge ..., 2020
... and we, seeking to remember the roads that lead us back home, get strayed into the essences that will emerge ..., ist ein enigmatisches Film- / Installations- / Performance-Skript, das die Spurensuche der fiktiven Figur Amo nach ihren Ursprüngen einleitet. Hier handelt es sich um einen experimentellen Prozess (in Anlehnung an Anton Wilhelm Amo, Afer). Die Suche der Figur wird zum Ritual, das den Fluss des Stückes bestimmt. Indem das Publikum die bereitgestellten Materialien durchstöbert, indem es Bewegungen durchspielt, die auf das zutage fördern von Tatsachen und einer Legende hindeuten, und indem es sich schließlich auf ein Gespräch mit dem Künstler einlässt, wird das kollektive Schreiben der Geschichte eines Menschen möglich, der in großes Schweigen gehüllt wurde.
– BERNARD AKOI-JACKSON -
PATRICIA KAERSENHOUT (*1966 in Den Helder, NLD, lebt in Amsterdam, NLD)
While we were Kings and Queens, 2020
12-teilige Serie, Digitalprint auf Hahnemühlepapier, Holzplatten mit Text, Hammer
100 × 70 cm (Drucke ) / 42 × 29,7 cm (Holzplatten)
In ihrer künstlerischen und feministisch geprägten aktivistischen Praxis problematisiert Patricia Kaersenhout strukturelle Unfreiheit und Ungleichheit und lenkt die Aufmerksamkeit auf die häufig unsichtbaren Folgen des Kolonialismus.Im Zentrum ihrer neu entstandenen 12-teiligen Serie While we were Kings and Queens steht eine auch historisch umstrittene Rede William Lynchs, in der die Methoden für eine systematische Unterdrückung von Sklaven in schier unerträglicher Grausamkeit vorgetragen werden. Im Sinne Anton Wilhelm Amos und seinen Überlegungen zum Charakter der Seele hinterfragt Kaersenhout, ob eine solche, kühl kalkulierte Gewalt nicht auch deshalb Realität wurde, weil die Seele keinen sinnlichen Schmerz empfinde und damit ein Stück weit von der körperlichen Realität entkoppelt ist. Im Rückbezug auf Nkisi, ein Konzept mit Wurzeln im Kongobecken, das eine spirituelle Aufladung von Objekten beschreibt, sind die Besucher_innen eingeladen, ihre Gefühle gegenüber der Rede mit Hammer und Nägeln auch körperlich zu entladen, sodass über die Ausstellungslaufzeit hinweg sukzessiv einzelne Wörter und Sätze der Rede verdeckt werden. Diesen Schrifttafeln stellt Kaersenhout Abzüge von Buchseiten des 1976 publizierten Sammelbandes Time Life: Zeitalter der Aufklärung gegenüber, der 2017 im Rahmen der Decolonial Summerschool Middleburg Teil ihres Workshops und der Performance Daughter of Diaspora war. Ihren Unmut darüber, dass die Geschichte ihrer Vorfahren in der lexikalischen Übersicht unberücksichtigt bleibt, markierten die beteiligten Studierenden mit Zeichnungen, Cut-Outs oder Übermalungen. Somit verweist While we were Kings and Queens auf die Unzulänglichkeiten eurozentrischer Kanonisierung ebenso wie auf die Schizophrenie einer europäischen (Ideen-)Geschichte, in der die emanzipatorischen Prinzipien der Aufklärung und die Verbrechen des Kolonialismus und Sklavenhandels zeitgleich Realität wurden.
Download Instruction Letter (Gebrauchsanweisung) zu While we were Kings and Queens, 2020
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ADJANI OKPU-EGBE (*1979 in Kumba, CMR, lebt in London, GBR)
Decolonising Knowledge (Anton Wilhelm Amo), 2020
Holz, Acrylfarbe, Klebstoff, Bücher, verschiedene Materialien
Maße variabelThe Son of Man, 2008
Toilettenpapier, Acryl, Lack, Klebstoff und Kieselsteine auf Leinwand
50 × 70 cmThe Foundation and Etymological Reinforcement of Erasure, 2020
Holz, Acrylfarbe, Klebstoff, Leinen, Kühlschrank, verschiedene Materialien
Maße variabelA French Soldier’s Trophy Head in Cameroon, 1950s/1960s, 2019
Ton, Metall, Holz, Haare
14 × 16 × 40 cmFabricated Anthropology (Quadriptych), 2019
Verschiedene Materialien auf Holztüren
200 × 305 × 4 cm
Die reliefartigen Malereien von Adjani Okpu-Egbe beruhen auf einer eigens von ihm entwickelten Technik, in der Acrylfarbe mit Hilfe von Luftpolsterfolie in eine Oberflächenstruktur gegossen wird, die der Künstler als Ausgangspunkt für seine flächigen und dennoch figurativen malerischen Werke nutzt.Im ersten Raum der Ausstellung hat Adjani Okpu-Egbe ein hybrides Porträt Anton Wilhelm Amos geschaffen, das ein Bücherregal beinhaltet, welches zugleich als Bildträger fungiert. Die zentrale Darstellung Amos gleicht einer TIME Magazine Titelseite und ist von Regalzeilen mit Objekten wie einem Globus, künstlichen Blumen, kleinen Eulenfiguren und dem Wappen der Stadt Braunschweig umgeben. Daneben finden sich Amos eigene Schriften und eine Auswahl an historischen und zeitgenössischen Texten, die das Werk Amos aus heutiger Sicht kontextualisieren. Um die in der Arbeit enthaltene Bibliothek zu erstellen, hat Okpu-Egbe verschiedene Persönlichkeiten und Akademiker_innen wie Prof. Carol Becker (Columbia Universität, New York), Prof. Ulrike Bergermann (Hochschule für bildende Künste, Braunschweig), den Friedensforscher Prof. Matt Meyer, den Kurator Bonaventure Soh Bejeng Ndikung u.a. gebeten, wissenschaftliche und literarische Titel vorzuschlagen.
ADJANI OKPU-EGBE (*1979 in Kumba, CMR, lebt in London, GBR)
Decolonising Knowledge (Anton Wilhelm Amo), 2020
Holz, Acrylfarbe, Klebstoff, Bücher, verschiedene Materialien
Maße variabelThe Son of Man, 2008
Toilettenpapier, Acryl, Lack, Klebstoff und Kieselsteine auf Leinwand
50 × 70 cmThe Foundation and Etymological Reinforcement of Erasure, 2020
Holz, Acrylfarbe, Klebstoff, Leinen, Kühlschrank, verschiedene Materialien
Maße variabelA French Soldier’s Trophy Head in Cameroon, 1950s/1960s, 2019
Ton, Metall, Holz, Haare
14 × 16 × 40 cmFabricated Anthropology (Quadriptych), 2019
Verschiedene Materialien auf Holztüren
200 × 305 × 4 cm
Die reliefartigen Malereien von Adjani Okpu-Egbe beruhen auf einer eigens von ihm entwickelten Technik, in der Acrylfarbe mit Hilfe von Luftpolsterfolie in eine Oberflächenstruktur gegossen wird, die der Künstler als Ausgangspunkt für seine flächigen und dennoch figurativen malerischen Werke nutzt.Im ersten Raum der Ausstellung hat Adjani Okpu-Egbe ein hybrides Porträt Anton Wilhelm Amos geschaffen, das ein Bücherregal beinhaltet, welches zugleich als Bildträger fungiert. Die zentrale Darstellung Amos gleicht einer TIME Magazine Titelseite und ist von Regalzeilen mit Objekten wie einem Globus, künstlichen Blumen, kleinen Eulenfiguren und dem Wappen der Stadt Braunschweig umgeben. Daneben finden sich Amos eigene Schriften und eine Auswahl an historischen und zeitgenössischen Texten, die das Werk Amos aus heutiger Sicht kontextualisieren. Um die in der Arbeit enthaltene Bibliothek zu erstellen, hat Okpu-Egbe verschiedene Persönlichkeiten und Akademiker_innen wie Prof. Carol Becker (Columbia Universität, New York), Prof. Ulrike Bergermann (Hochschule für bildende Künste, Braunschweig), den Friedensforscher Prof. Matt Meyer, den Kurator Bonaventure Soh Bejeng Ndikung u.a. gebeten, wissenschaftliche und literarische Titel vorzuschlagen.
Im Gartensaal der Villa Salve Hospes präsentiert Adjani Okpu-Egbe eine Werkserie, die sich kritisch mit dem Prozess der Christianisierung Afrikas und dessen Rolle bei der Auslöschung afrikanischer Zivilisationen auseinandersetzt. In der Mitte des Raums erhebt sich eine hölzerne Kapelle, verkleidet in bemustertem Stoff und angenagelten abstrakten Malereien. Die hölzerne Konstruktion beherbergt eine Installation, in der ein Kühlschrank als Präsentationsort einer anthropomorphen Skulptur dient, deren Titel sie als koloniale, menschliche „Trophäe” ausweist.
Fabricated Anthropology, eine großformatige Malerei an der benachbarten Saalwand zeigt eine zentrale Figur, die mit der Gewalt und den Symbolen von rechtsextremen Bewegungen wie 8chan, dem KKK und RAHOWA konfrontiert ist und sich diesen widersetzt. Die Größe und das Sujet des Quadriptychons konstrastiert stark mit der kleinformatigen Malerei The Son of Man. Die im Jahr 2008 entstandene Arbeit, eine abstrahierte Darstellung der Kreuzigung Christi, zeugt von der anhaltenden kritischen Beschäftigung des Künstlers mit christlichen Ikonographien und deren (post-)kolonialen Hinterlassenschaften.
Download der kommentierten Literaturempfehlungen von Prof. Carol Becker, Prof. Ulrike Bergermann, Valentine Eben und Prof. Matt Meyer
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THEO ESHETU (*1958 in London, GBR, lebt in Berlin, GER)
Amo Speaks, 2020
4K Video
5:38 min
Der Filmemacher und Videokünstler Theo Eshetu spürt dem kollektiven Unbewussten nach und bedient sich komplexer Symbole und Zeichen, um kulturelle Identitäten und mediale Narrative zu hinterfragen. Seine für den Kunstverein Braunschweig neu entwickelte Videoarbeit Amo Speaks entwirft ein fiktives Porträt von Anton Wilhelm Amo, das spekulativ und performativ versucht, ihn bildnerisch zu erinnern und dabei zugleich auf das Fehlen eines verifizierten Porträts und auf die vielen Projektionen und fälschlichen Darstellungen Amos verweist, die im Internet und in Büchern und Schriften kursieren.In Amo Speaks werden Darstellungen von Amo auf das Gesicht eines Performers projiziert. Textfragmente von Anton Wilhelm Amos Reflexionen über das Leib-Seele-Problem und die Fähigkeit zu sinnlicher Wahrnehmung (engl.: „the faculty of sensing“) werden auf Englisch, Deutsch und Latein verlesen, um eine Soundtextur zu erzeugen, die die multiperspektivische Position spürbar werden lässt, von der aus Amo seine Gedanken entwickelte.
„Durch die Kombination einer lebenden Person mit dem öffentlich imaginierten historischen Abbild Amos versuche ich ein reales Bild zu erschaffen, das jedoch offensichtlich unecht ist und den Masken gleicht, die wir alle im Alltag tragen.“ (Theo Eshetu)
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JEAN-ULRICK DÉSERT (*1960 in Port-au-Prince, HTI, lebt in Berlin, GER)
“Paradisum Calamitate” (Paradise Catastrophe) after C.D.F., 2020
Acryl auf Pergament, Staffeleien, Monstera deliciosa
Maße variabelGuten Morgen Preußen, 2009
6 Cyanotypien auf Echt-Bütten Ingrespapier- Morgensglück, 31 × 48 cm
- Vater Sohn vor Wasser Pyramiden, 24 × 31 cm
- Preußisches Schicksal, 24 × 31 cm
- Reflexionsbecken, 24 × 31 cm
- Mother Delta, 31 × 48 cm
- Guten Morgen Preußen, 29,7 × 42 cm
Jean-Ulrick Déserts eigens für die Ausstellung entwickelte Installation “Paradisum Calamitate” (Paradise Catastrophe) after C.D.F. kombiniert tropische Pflanzen mit großen, mit Acryl bemalten Pergamentbahnen die Das Eismeer von Caspar David Friedrich, ein wichtiges Werk der deutschen Romantik, zitieren. Die von Friedrich dargestellte Tragödie wird als Neuerzählung einer metaphorischen Sage um ein verschollenes Schiffswrack imaginiert. Déserts implizites Narrativ ist absichtlich mehrdeutig und entwirft ein gebrochenes Bild einer fiktiven Historie, die in viele Richtungen weist.Désert kontextualisiert die in der Installtion angedeutete Geschichte mit wiedererkennbaren Symbolen und Motiven: Muster, die an Kirchenfenster erinnern, ein Buch von Amo als mythischer Janus, Wappendarstellungen und Titelbänderungen mit welkenden ‚schwarzen’ Tulpen die wegen ihrer dunklen Färbung als Rarität angesehen werden, und ein mystisch anmutendes Schiffswrack, das sowohl als (kunst-) historische Metapher auf seine deutsche Herkunft, als auch auf Verstricktheit Deutschlands in den Kolonialismus verweist. Ebenso im Spiegelsaal zu sehen ist Guten Morgen Preußen, eine Serie analoger Cyanotypien in preussischem Blau auf Echt-Bütten Ingrespapier, die auf digital collagierten Negativen basiert. Die Werkreihe erzählt die Geschichte des ägyptischen Jungen August Sabac el Cher nach, der im 19. Jahrhundert an Prinz Albrecht von Preussen ‚verschenkt’ wurde, und an dessen Hof in Deutschland lebte. Die Serie besteht aus Morgensglück, einem Porträt von Gertrud (geb. Perlig) und Gustav Sabac el Cher im ehemals preussischen Fürst-Pückler-Park in Bad Muskau, Vater Sohn vor Wasser Pyramiden einem überlagerten Porträt von August Sabac el Cher und seinem Sohn Gustav, Preußisches Schicksal das Gustav Sabac el Cher und den deutschen Kaiser zu Pferd zeigt, Reflexionsbecken, einem Porträt August Sabac el Chers in den Gärten von Fürst Muskauer Pückler und Mother Delta, einer Darstellung von Anna und ihrem zukünftigen Ehemann August Sabac el Cher. Das Projekt spiegelt die deutlich sichtbare Präsenz afrikanischer Menschen in der deutschen Adelsgesellschaft wider.
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OLIVIER GUESSELÉ-GARAI (*1976 in Paris, FRA, lebt in Berlin, GER)
Their eyes were watching cop, 2015/2020
Verschiedene Materialien, Holz
Maße variabel
Olivier Guesselé-Garai verleiht seiner Beteiligung an THE FACULTY OF SENSING – Thinking With, Through, and by Anton Wilhelm Amo einen poetischen Ausdruck. In einem 2015 verfassten Gedicht beschäftigt sich der Künstler mit generationenübergreifenden Identitätsfragen einer „race of doubt“ (Olivier Guesselé-Garai). Auch auf diese Art vergleichbare gesellschaftliche Missstände verschiedener Zeiten verknüpfend, nimmt Guesselé-Garai mit dem Titel seiner Arbeit explizit Bezug auf das literarische Werk Their Eyes Were Watching God, 1937, von Zora Neale Hurston, einer führenden Persönlichkeit der Harlem Renaissance im New York der 1920er Jahre. Mit der orthografisch nicht weit auseinanderliegenden Verschiebung von „God“ zu „Cop” transportiert der Künstler dieselben, mit Blick auf Anton Wilhelm Amo, jahrhundertealten Fragestellungen in die heutige Zeit und lässt Bezüge zu Bewegungen wie Black Lives Matters aufmachen, die sich u. a. gegen systematische (Polizei-)Gewalt gegenüber Black People of Colour (BPoC) formiert.Für die Ausstellung übersetzt der Künstler sein Geschriebenes in den Raum. In der liegenden Präsentationsform verbinden sich unterschiedliche Materialien, bei denen sich das Gelesene wiederholt mit dem Gesehenen verknüpft und eine Draufsicht als übergeordnete Perspektive auf die Dinge entsteht. Die auf Paneelen fixierten Holzbuchstaben weisen dabei Spuren anderer Bodenbeläge auf und lassen sich zusammen mit einzelnen Aussagen des Gedichtes lesen: „uptown or downtown tonic asphalt“. Die erste Zeile, „A negro way of running“, eröffnet als Referenz auf ein Nachwort mit dem Titel A Negro Way of Saying von Henry Louis Gates Jr., das dieser zu Hurstons Roman verfasste, erneut verschiedene Anschlüsse. Guesselé-Garai entwickelt ein individuelles Schrift-Bild mit universellem Anspruch. Das Schriftbild im Sinne der Typografie ist dabei einfach gestaltet und trägt auch dadurch Zeichen von Universalität. Den Buchstaben haftet etwas Pädagogisches an, sie erinnern an ein grundlegendes Hilfsmittel, um Lesen und Schreiben zu lernen. Mit ihrer Hilfe lässt sich Wissen fassen, teilen und über Zeiten hinweg speichern – und ermöglicht schließlich auch heute Zugang zu jenen Schriften Amos, die verfügbar sind. Aufgeteilt in vier Absätze wird der Lesefluss von Guesselé-Garais Gedichts als unterbrochen markiert und verweist damit auch historisch betrachtet immer wieder auf stattgefundene und stattfindende Einschnitte: eine fortlaufend brüchige Geschichte.
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ANTJE MAJEWSKI (*1968 in Marl, GER, lebt in Berlin, GER)
Die Apatheia der menschlichen Seele (I–IV), 2020
I
Öl auf Holz
40 × 80 cmII
Öl auf Holz
77,8 × 77,8 cmIII
Öl auf Holz
50 × 50 cmIV
Öl auf Holz
73 × 50,5 cm
Im oberen Stockwerk der Rotunde zeigt Antje Majewski für die Ausstellung neu entstandene Malereien. Der gleichnamigen Werkreihe Majewskis liegt Anton Wilhelms Amos Dissertationsschrift an der Universität Wittenberg von 1734 zu Grunde: Die Apatheia der menschlichen Seele oder über das Fehlen der Empfindung und der Fähigkeit des Empfindens in der menschlichen Seele und das Vorhandensein von beidem in unserem organischen Körper.
Amo setzt sich dort mit dem Leib-Seele-Problem auseinander und postuliert zum damaligen Stand der Streitfrage Folgendes: „Wir gestehen zu, da[ss] die Seele mit dem Körper vermittels gegenseitiger Vereinigung (mutua unio) handelt, aber wir verleugnen, da[ss] sie mit dem Körper zusammen leidet”[1]. Bei der Idee von einer Unantastbarkeit der Seele setzt auch Majewski an und untersucht das Verhältnis von Innen und Außen, Seele und Außenkörper. Die schließlich malerischen Arbeiten haben dabei einen mehrfachen Übersetzungsprozess durchlaufen: nicht nur in Anbetracht von Amos Schrift vom lateinischen Originaltext in eine zeitgenössische Sprachfassung, sondern vielmehr auch in Hinblick auf eine durch eben jenen Text hervorgerufene Vorstellung und individuelle Imagination eines Abbildes einer Seele, die im Gespräch mittels gesprochener Sprache geteilt, wiederum in eine Bildsprache übersetzt wurde. Den Malereien ist die künstlerische Interpretation von im Vorfeld geführten Gesprächen mit an der Ausstellung beteiligten Personen über deren jeweilige bildliche Vorstellung einer Seele eingeschrieben. Dabei werden auch die Herausforderungen des Sprechens über Nichtsagbares und das Malen von Nichtmalbarem sichtbar. In Schrift übersetzt begleiten Transkriptionen, in den unterschiedlichen Sprachen in denen die Interviews jeweils geführt wurden, als Texte die Bilder und eröffnen so eine weitere Bild-Text-Ebene.
Präsentiert auf den zur Villa Salve Hospes gehörenden Sockeln im Obergeschoss der Rotunde, werden die Werke auch ihrer Präsentationsform nach zu Porträts. Porträts derer, die am Entstehen des Ausstellungsprojekts und Majewskis Arbeiten im Dialog beteiligt waren. Am Ende sind die Bilder schließlich auch als Porträts von Anton Wilhelm Amo lesbar, dessen philosophisches Vokabular Inspiration der gesamten Ausstellung ist.[1] Amo, Anton Wilhelm: Die Apatheia der menschlichen Seele. In: Antonius Gvilielmus Amo Afer aus Axim in Ghana. Übersetzung seiner Werke. Halle (Saale), 1965, S. 80.
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ADAMA DELPHINE FAWUNDU (*1971 in New York City, USA, lebt in New York City, USA)
Sunsum, in Spirit, 2020
HD Video, 09:53 min
Samples: May Ayim “Blues in Black and White” in Maria Binder “Hope in My Heart – The May Ayim Story” Film Trailer; Louis Henderson “The Sea is History” Soundtrack; Michelle Parkerson “A Litany For Survival – the Life and Work of Audre Lorde” Film Trailer; Ella Andall “Yemaya (Great Divine Mother of the Orisas)”; Bessie Jones “Beggin’ the Blues”; Humboldt Universität Berlin Lautarchiv “Duala (Kamerun), Gesang – LA 1334”, “Baule (Elfenbeinküste), Flöte – PK 1596/1”Sunsum, in Body, 2020
Archivpigment, Kunsthaar, Garn, Papier, Lederfaden, Acrylträger auf handgeschöpftem Maulbeerpapier – auf Holzrahmen gebunden
21,5 × 33 × 26 cmSunsum, in Mind #1 + Sunsum, in Mind #2, 2020
HD Video, Archivpigment, menschliches Haar, Kunsthaar, Salbei, Kaurimuscheln, Acrylmedium auf 100% brasilianischem Bananenbaumpapier
je 50 × 140 cm
Wasser, als verbindendes Element, zieht sich durch die Arbeiten von Adama Delphine Fawundu. Die Künstlerin interessiert sich dabei für den Zusammenhang von gesellschaftlichen Bewegungen und kollektiven Strömungen und wie sich diese im Motiv des Wassers widerspiegeln. Mit einem Blick und Bewusstsein für transhistorische Verknüpfungen, verbinden sich dabei zudem verschiedene Zeitlichkeiten: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fallen in der künstlerischen Vision Fawundus zusammen. Als Ort der Erinnerung erzählt das Meer über Zeiten hinweg eigene Geschichten – Derek Walcotts bekanntes Gedicht The Sea Is History bietet hier in vielerlei Hinsicht explizite Anknüpfungspunkte und war neben den Texten von Anton Wilhelm Amo ebenfalls Quelle der Inspiration für Fawundu.ADAMA DELPHINE FAWUNDU (*1971 in New York City, USA, lebt in New York City, USA)
Sunsum, in Spirit, 2020
HD Video, 09:53 min
Samples: May Ayim “Blues in Black and White” in Maria Binder “Hope in My Heart – The May Ayim Story” Film Trailer; Louis Henderson “The Sea is History” Soundtrack; Michelle Parkerson “A Litany For Survival – the Life and Work of Audre Lorde” Film Trailer; Ella Andall “Yemaya (Great Divine Mother of the Orisas)”; Bessie Jones “Beggin’ the Blues”; Humboldt Universität Berlin Lautarchiv “Duala (Kamerun), Gesang – LA 1334”, “Baule (Elfenbeinküste), Flöte – PK 1596/1”Sunsum, in Body, 2020
Archivpigment, Kunsthaar, Garn, Papier, Lederfaden, Acrylträger auf handgeschöpftem Maulbeerpapier – auf Holzrahmen gebunden
21,5 × 33 × 26 cmSunsum, in Mind #1 + Sunsum, in Mind #2, 2020
HD Video, Archivpigment, menschliches Haar, Kunsthaar, Salbei, Kaurimuscheln, Acrylmedium auf 100% brasilianischem Bananenbaumpapier
je 50 × 140 cm
Wasser, als verbindendes Element, zieht sich durch die Arbeiten von Adama Delphine Fawundu. Die Künstlerin interessiert sich dabei für den Zusammenhang von gesellschaftlichen Bewegungen und kollektiven Strömungen und wie sich diese im Motiv des Wassers widerspiegeln. Mit einem Blick und Bewusstsein für transhistorische Verknüpfungen, verbinden sich dabei zudem verschiedene Zeitlichkeiten: Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fallen in der künstlerischen Vision Fawundus zusammen. Als Ort der Erinnerung erzählt das Meer über Zeiten hinweg eigene Geschichten – Derek Walcotts bekanntes Gedicht The Sea Is History bietet hier in vielerlei Hinsicht explizite Anknüpfungspunkte und war neben den Texten von Anton Wilhelm Amo ebenfalls Quelle der Inspiration für Fawundu.Für ihren Beitrag zur Ausstellung ist die Künstlerin auch Wasserwegen in Braunschweig gefolgt und hat entlang dieser gefilmt. Die entstandene Videoarbeit führt auf collagenhafte Weise verschiedene Bilder unterschiedlicher Orte in einem Fluss zusammen. Inspirationen sind unter anderen die Dichterinnen und Aktivistinnen May Ayim und Audre Lorde, deren Jahre in Berlin wiederum auch Ayim inspirierten. In ihrer raumgreifenden Installation kombiniert Fawundu das collagierte Bewegtbildmaterial zudem mit Fotografien, der durch ebenfalls darüberliegende Projektionen neue Bildebenen hinzugefügt werden. Auch hier wird die See als Ort zwischen Untergang und (ritueller) Heilung projiziert. In einem handgemachten Buch laufen schließlich verschiedene (Erzähl-)Stränge zusammen: Im Werk der Künstlerin wiederkehrende Symbole wie das Meer, natürliches und künstliches Haar, Wurzeln und Wege sind seitenweise eng miteinander verflochten. Das Collagieren als künstlerisches Mittel wird auch in dem raumfüllenden Soundtrack, der ausgehend von der großen Projektion die anderen Arbeiten überlagert, deutlich. Dort vermischen sich beispielsweise Samples von Bessie Jones Beggin’ the Blues und Ella Andalls Yemaya mit Tondokumenten aus dem Lautarchiv der Humboldt-Universität Berlin.
Sampling, als Praxis des Zusammenführens verschiedener Tonaufnahmen, versteht die Künstlerin im Kontext des Entstehens von (neuer) Sprache und entwickelt damit auch eine eigene: „Die ‚neue Sprache’ symbolisiert das Leben, das Gefühl der Freiheit, das Leben und nicht nur das Überleben in der Komplexität systematischer Unterdrückung. Das ist es, was der Körper intuitiv tut – der ‚Körper’ stirbt nie wirklich, sondern verwandelt sich.“ (Adama Delphine Fawundu)
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AKINBODE AKINBIYI (*1946 in Oxford, GBR, lebt in Berlin, GER)
Attempts at Understanding, 2020
Serie aus 8 Schwarz-Weiß-Fotografien
Inkjet Pigment Print
je 60 × 60 cm
Fotografie denkt Akinbode Akinbiyi von ihrer ursprünglichen Idee her: vom Schreiben mit Licht. So wird er zum Geschichtenerzähler, wenn er mit seiner Kamera durch Städte wandert, um Motive zu finden, die – flüchtig betrachtet – wie Nebensächlichkeiten erscheinen. Doch spricht genau dieses vermeintliche Beiwerk unseres Alltags für sich und verweist im Detail des festgehaltenen Augenblicks auf größere Zusammenhänge.AKINBODE AKINBIYI (*1946 in Oxford, GBR, lebt in Berlin, GER)
Attempts at Understanding, 2020
Serie aus 8 Schwarz-Weiß-Fotografien
Inkjet Pigment Print
je 60 × 60 cm
Fotografie denkt Akinbode Akinbiyi von ihrer ursprünglichen Idee her: vom Schreiben mit Licht. So wird er zum Geschichtenerzähler, wenn er mit seiner Kamera durch Städte wandert, um Motive zu finden, die – flüchtig betrachtet – wie Nebensächlichkeiten erscheinen. Doch spricht genau dieses vermeintliche Beiwerk unseres Alltags für sich und verweist im Detail des festgehaltenen Augenblicks auf größere Zusammenhänge.Während Akinbode Akinbiyi ansonsten oft Großstädte wie Bamako oder Berlin durchstreift und vor allem Szenen des öffentlichen Lebens einfängt, richtete er für diese Ausstellung seinen Blick durch den Sucher hindurch nach Braunschweig. Ganz im Sinne der im fotografischen Medium grundsätzlich angelegten Möglichkeit das sichtbar zu machen, was ansonsten übersehen werden könnte, begibt der Fotograf sich hier auf die Suche nach Amo in dieser Stadt. Wo könnte Amo gewesen sein? Welche Straßen könnte er entlangspaziert, welche Gebäude gesehen haben? Hatte seine mögliche Präsenz an diesen Orten / in dieser Region sichtbare Auswirkungen darauf, wie wir sie heute wahrnehmen? Für Akinbode Akinbiyi, der in London aufwuchs und inzwischen bereits seit 30 Jahren in Berlin lebt, ist die Bewegung wichtig, mit der wir den urbanen Raum durchqueren. „In der Bewegung setzen wir uns ständig mit unserer Umgebung auseinander, mit dem, was unmittelbar um uns herum ist, und die Umgebung reagiert darauf.“ (Akinbode Akinbiyi)
Sehen und gesehen werden – finden grundsätzlich in beide Richtungen statt. In diesem Sinne kann Sehen durch einen Fotoapparat hindurch als Zuspitzung dieses Dialogs zwischen einer Person, die sieht (und fotografiert), und ihrem Gegenüber gedacht werden. Dass dieser visuelle Schlagabtausch von Offenheit gleichermaßen wie von Scheu, von Aggression und Verletzlichkeit und Souveränität geprägt sein kann, wissen wir alle aus eigener Erfahrung sowohl vor als auch hinter der Kamera. Im wohlmeinendsten Sinne haben die Fotografien von Akinbiyi etwas Gleichmachendes: Gemeinsamkeiten der an verschiedenen Orten und Zeiten porträtierten Menschen, Straßen und Winkel fallen mehr ins Gewicht als die in anderen Zusammenhängen betonten Unterschiede.
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KITSO LYNN LELLIOTT (*1984 in Molepolole, BWA, lebt in Johannesburg, ZAF)
291 years condensed into the same number of seconds (or) one day out there our paths might cross, 2020
3-Kanal-Videoinstallation
9:42 min
Die künstlerische Praxis von Kitso Lynn Lelliott umfasst Videoinstallationen, Filme und Texte. In ihren Arbeiten erforscht Lelliott Wirklichkeiten, die durch widersprüchliche Formen von Wissen hergestellt werden und sich auf die Narrative und Formen beziehen, die dies- und jenseits des Atlantiks während der für die Neuzeit konstitutiven Epoche des Kolonialismus entstanden. Für THE FACULTY OF SENSING – Thinking With, Through, and by Anton Wilhelm Amo hat Kitso Lynn Lelliott eine zweiteilige Videoarbeit entwickelt, deren erster und zweiter Abschnitt je 291 Sekunden lang ist – die Länge richtet sich nach der Anzahl der Jahre, die seit Anton Wilhelm Amos Disputation im Jahr 1729 vergangen sind.KITSO LYNN LELLIOTT (*1984 in Molepolole, BWA, lebt in Johannesburg, ZAF)
291 years condensed into the same number of seconds (or) one day out there our paths might cross, 2020
3-Kanal-Videoinstallation
9:42 min
Die künstlerische Praxis von Kitso Lynn Lelliott umfasst Videoinstallationen, Filme und Texte. In ihren Arbeiten erforscht Lelliott Wirklichkeiten, die durch widersprüchliche Formen von Wissen hergestellt werden und sich auf die Narrative und Formen beziehen, die dies- und jenseits des Atlantiks während der für die Neuzeit konstitutiven Epoche des Kolonialismus entstanden. Für THE FACULTY OF SENSING – Thinking With, Through, and by Anton Wilhelm Amo hat Kitso Lynn Lelliott eine zweiteilige Videoarbeit entwickelt, deren erster und zweiter Abschnitt je 291 Sekunden lang ist – die Länge richtet sich nach der Anzahl der Jahre, die seit Anton Wilhelm Amos Disputation im Jahr 1729 vergangen sind.Im ersten Teil der Videoarbeit laufen zwei Kanäle auf voneinander getrennten Projektionsflächen parallel, die Landschaftsaufnahmen im Gebiet des heutigen Ghana, wo Amo geboren wurde, und in Deutschland mit dem historischen Bild der jeweiligen Gebiete konfrontieren. Die Landschaftsaufnahmen spüren einerseits den spezifischen biografischen Anhaltspunkten Anton Wilhelm Amos nach und erlauben zugleich eine allgemeinere Reflexion über das Verhältnis des menschlichen Körpers zu seiner Umgebung, in Anlehnung an Amos Schriften über die Fähigkeit der sinnlichen Erfahrung und das Verhältnis des menschlichen Leibs zu seinem Geist.
In der Gegenüberstellung der beiden Videowände und der gezeigten Umgebungen spiegelt sich Amos dualistisches Denken wider, das die Künstlerin unterläuft, indem sie die Landschaftsdarstellungen zunehmend mit komplexen historischen Bedeutungsebenen unterbricht. Elemente der voneinander getrennten Umwelten vermischen sich und verkomplizieren eine klare Unterscheidung, bis sie schließlich aus der klar eingegrenzten Szenerie ausbrechen und eine kritische und widerständige Haltung gegenüber streng dualistischen Weltbildern formulieren.
Der zweite Teil der Arbeit besteht aus einem großformatigen dritten Kanal, einem Video, das selbstkritisch die Probleme und Fragen aufwirft, die der Künstlerin beim Nachspüren von Amo begegneten. Anhand von zugeschriebenen, aber historisch fragwürdigen Darstellungen von Amo zeichnet Kitso Lynn Lelliott ein bewusst verschwommenes Bild und hinterfragt das Interesse an seinem singulären Schicksal im Zusammenhang mit den unzähligen unbekannten Namen und Biografien, deren individuelle Existenzen, Arbeiten und Werke nicht historisch überliefert wurden. Aufgrund der aktuellen Umstände im Zusammenhang mit dem Covid-19-Virus konnte der dritte Kanal der Arbeit bisher noch nicht vollendet werden.
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CLAUDIA MARTÍNEZ GARAY (* 1983 in Ayacucho, PER, lebt in Amsterdam, NDL)
Muy blanco para indio y muy poco para blanco / Too white for a cholo, not enough for a white man, 2020
Tonmalerei (Ton auf Baumwollleinwand)
155 × 500 cm
„Das Vorurteil der Plattheit ist: Neues ist nicht zu suchen noch zu setzen, sondern es ist am sichersten, den Alten zu folgen. Anmerkung: Diesem Vorurteil wird man begegnen 1) durch Vergleich des Alten mit dem Neueren, 2) indem man alles erforscht, bis der Zweifel beseitigt ist, 3) indem man seinen eigenen Kräften nicht allzu sehr misstraut, sondern tut, soviel man kann.“ [1]In ihrer künstlerischen Arbeit beschäftigt sich Claudia Martínez Garay mit symbolischen Übersetzungen von Exotisierung, Ressentiments und der schizophrenen Wahrnehmung indigener Andenbevölkerungen. Während Kulturartefakte der Inkas das ethnographische und visuelle Gedächtnis der Region prägen, sind ihre Nachfahren in der Gegenwart noch immer vielfältigen Formen von Rassismus ausgesetzt. Ausgangspunkt der neu entstandenen Arbeit Muy blanco para indio y muy poco para blanco / Too white for a cholo, not enough for a white man ist die titelgebende Zeile aus dem Film Túpac Amaru, in dem Amaru als letzter Inkakönig und Kämpfer gegen die spanische Invasion im 16. Jahrhundert seine Identität als Mestizo definiert. „Sein Körper und seine Seele waren Braun wie weiß, als Peruaner war Amaru selbst die Verkörperung der Widersprüche beider Welten, die sich bis zu diesem Moment nicht anerkennen und versöhnen können.“ (Claudia Martínez Garay) Wie auch Anton Wilhelm Amo, war Amaru von Diskriminierung, Christianisierung und Kolonialisierung betroffen; wie auch Amo sprach Amaru neben anderen Sprachen fließend Latein und so begehrten beide mit ihren Mitteln gegen koloniale Unterdrückung und fehlende Anerkennung auf. Die gezeigte Installation basiert auf historischen und aktuellen Darstellungen aus Lehrbüchern, Museumskatalogen und archäologischen Fachblättern. Die Abbildungen wurden in unterschiedlichen Tonschattierungen malerisch reproduziert. Kombiniert ergeben sie eine Art mentale Landkarte, in der unterschiedliche Symbol- und Bildsysteme, Ideen und Ideologien neue Beziehungen eingehen und herrschende Mechanismen der Ausgrenzung und der Repräsentation von Macht thematisieren. Dabei hinterfragt Martínez Garay, wie ein Bilderkanon das kulturelle Selbstverständnis beeinflusst und mit welchen Neuarrangements über alternative Geschichtsschreibungen und Zukunftsutopien spekuliert werden kann.
[1] Amo, Anton Wilhelm: Traktat, von der Kunst nüchtern und sorgfältig zu Philosophieren. In: Antonius Gvilielmus Amo Afer aus Axim in Ghana. Übersetzung seiner Werke. Halle (Saale), 1965, S. 212.
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RESOLVE COLLECTIVE (gegründet 2016, ansässig in London, GBR)
PROGRAMMING IM/PASSIVITY, 2020
Multimediale Installation
Maße variabel
Aporien, blinde Flecke und Widersprüche kennzeichnen die Diktion, mit der Anton Wilhelm Amos inspirierendes Leben und seine Philosophie einem modernen Publikum nacherzählt werden. Um die Lücken in Amos Leben und Werk zu schließen, müssen wir häufig Position beziehen. Die Positionierung in der Erzählung kann durch die Kraft fiktiver Werke veranschaulicht werden, aber auch subtiler, in Akten des Lesens und Wahrnehmens, die selbst mit Amos Philosophien verbunden sind. Das Projekt PROGRAMMING IM/PASSIVITY gliedert sich in drei zentrale Herangehensweisen.RESOLVE COLLECTIVE (gegründet 2016, ansässig in London, GBR)
PROGRAMMING IM/PASSIVITY, 2020
Multimediale Installation
Maße variabel
Aporien, blinde Flecke und Widersprüche kennzeichnen die Diktion, mit der Anton Wilhelm Amos inspirierendes Leben und seine Philosophie einem modernen Publikum nacherzählt werden. Um die Lücken in Amos Leben und Werk zu schließen, müssen wir häufig Position beziehen. Die Positionierung in der Erzählung kann durch die Kraft fiktiver Werke veranschaulicht werden, aber auch subtiler, in Akten des Lesens und Wahrnehmens, die selbst mit Amos Philosophien verbunden sind. Das Projekt PROGRAMMING IM/PASSIVITY gliedert sich in drei zentrale Herangehensweisen.The Double:
Die kuratorische Seite der Arbeit folgt Justin E. H. Smiths Position, dass Amos dualistische Überzeugungen auf seiner grundlegend antirassistischen Haltung basieren. Diesen Ansatz wollen wir mithilfe auto ethnografischer und historischer Recherchen fortführen, die Amos Werk und unsere eigene diasporische Position gleichermaßen reflektieren. Hierfür integrieren wir zwei Gruppen von Literatur: Publikationen von und über Anton Wilhelm Amo im Kontext der Frühaufklärung, sowie Veröffentlichungen, die sich in einem erweiterten Sinne mit afrikanisch-diasporischer doubleness und double consciousness befassen.
Ausgewählte Bücher des Projekts können vor Ort entliehen werden. Bitte sprechen Sie uns an.
Programming Im/Passivity:
Programmatisch kreist das Projekt um Anton Wilhelm Amos Vorstellungen von Passivität und Impassivität. In der Remise wird Raum für Workshops, Vorträge und Performances sein, aber auch ein Ort für stille Kontemplation und das Recherchieren über Amo entstehen. Eine Reihe von Wissenschaftler_innen und Künstler_innen werden eingeladen sich mit Amos Werk auseinanderzusetzen.
Mind-Body Commercio:
Unter Berücksichtigung unseres prozessgesteuerten Designansatzes greifen wir auf duale Methoden zur Verarbeitung einer Reihe recycelter lokaler Materialien zurück, die so zu einer „räumlichen Währung“ werden. Die Methoden selbst sind jeweils von einem Aspekt von Anton Wilhelm Amos Theorien und seinen Thesen über einen Körper-Seele-Dualismus inspiriert. Die Verfahren wurden vorab in Schüler_innenworkshops praktiziert.
– RESOLVE COLLECTIVE -
KONRAD WOLF (*1985 in Neubrandenburg, GER, lebt in Berlin, GER)
Anton Wilhelm Amo Center, 2020
www.kunstvereinbraunschweig.de
Im Rahmen seiner Abschlussarbeit des Architekturstudiums hatte Konrad Wolf 2016 die Aufgabe, einen Entwurf zur Neugestaltung der Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel zu erarbeiten. Statt einer naheliegenden Hochbau-Skizze entwickelte er, ausgehend vom nicht erinnertem und verdrängtem Wissensschatz der Bibliothek, die Idee des Anton Wilhelm Amo Center – einem weltweit möglichen Ort, der für eine bestimmte Zeit der kritischen Auseinandersetzung mit hegemonialem Wissen gewidmet ist. Zum Namensgeber für die Idee dieser temporär entstehenden Reflexionsräume wurde der Philosoph der deutschen Frühaufklärung: Amo. Seine wissenschaftliche Position innerhalb der europäischen Philosophie wurde und wird bis heute verdrängt, ignoriert und höchstens als Kuriosum erinnert. Dabei könnte gerade sein verschüttet gegangenes Werk zum Schlüssel für ein besseres Verständnis der von extremen Widersprüchen und Rassismus geprägten Philosophie der europäischen Aufklärung werden.Angesichts der Tatsache, dass Anton Wilhelm Amo am Hof in Wolfenbüttel aufwuchs, die dortige Herzog August-Bibliothek ganz sicher und die Ritterakademie wahrscheinlich besuchte, muss gefragt werden: Warum ist Amo bis heute in der Region Braunschweig Wolfenbüttel weitgehend unbekannt? Warum versäumt es die Institution der Herzog August Bibliothek bis heute seine Person angemessen zu würdigen? Wie kann eine Institution eine aktive Rolle in unserer Erinnerungskultur spielen? Gemeinsam mit den Aktivist_innen der Gruppe Amo – Braunschweig Postkolonial entwickelte Konrad Wolf zwei öffentliche Workshop-Veranstaltungen für das Begleitprogramm zur Ausstellung. Dort sollen zum einen die historischen Umstände der Unsichtbarmachung Amos erarbeitet und zum anderen die Notwendigkeit und Möglichkeiten eines sichtbaren Erinnerns diskutiert werden. Für die Dauer der Ausstellung benennt Konrad Wolf den Kunstverein Braunschweig durch einen Eingriff auf der Internetseite in Anton Wilhelm Amo Center um. Damit passt Wolfs Konzept explizit in den Rahmen der Ausstellung, die Anton Wilhelm Amo gewidmet ist. Gleichzeitig geht die temporäre Umbenennung der gesamten Institution Kunstverein Braunschweig in Anton Wilhelm Amo Center weit über die Ausstellung hinaus und stellt grundlegende institutionelle Strukturen in Frage. Diese (minimale) irritation auf der Ebene der Sprache berührt bereits den Kern der Frage nach der ungeheuren Macht, die Dinge beim Namen zu nennen oder auch nicht.
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ANDCOMPANY&CO. (gegründet 2003 in Frankfurt am Main, GER)
Black Bismarck revisited (again), 2020
Lecture-Performance, ca. 40 minEin Gastspiel in Kooperation mit dem Staatstheater Braunschweig im Rahmen der Digitalen Thementage 2020
Mit Black Bismarck revisited (again) kämpft das Kollektiv andcompany&Co. gegen das Vorurteil an, Deutschland wäre nicht wirklich Kolonialmacht gewesen. In ihrer Lecture- Performance bringen Alexander Karschnia, Nicola Nord und Sascha Sulima Argumente aus historischen Fakten und popkulturellen Verweisen, Alltagserleben und Theorie auf die Bühne. All das, um jene Spuren des Kolonialismus zu beleuchten, die in Deutschland – von Edeka bis Sarotti, von Brandenburg bis Berlin – bis heute zu finden sind. Ebenso wie jene Grenzen, die vor 135 Jahren im Rahmen der „Afrika-Konferenz“ über den afrikanischen Kontinent gezogen wurden und seither immer wieder zu Konflikten führen.ANDCOMPANY&CO. (gegründet 2003 in Frankfurt am Main, GER)
Black Bismarck revisited (again), 2020
Lecture-Performance, ca. 40 minEin Gastspiel in Kooperation mit dem Staatstheater Braunschweig im Rahmen der Digitalen Thementage 2020
Mit Black Bismarck revisited (again) kämpft das Kollektiv andcompany&Co. gegen das Vorurteil an, Deutschland wäre nicht wirklich Kolonialmacht gewesen. In ihrer Lecture- Performance bringen Alexander Karschnia, Nicola Nord und Sascha Sulima Argumente aus historischen Fakten und popkulturellen Verweisen, Alltagserleben und Theorie auf die Bühne. All das, um jene Spuren des Kolonialismus zu beleuchten, die in Deutschland – von Edeka bis Sarotti, von Brandenburg bis Berlin – bis heute zu finden sind. Ebenso wie jene Grenzen, die vor 135 Jahren im Rahmen der „Afrika-Konferenz“ über den afrikanischen Kontinent gezogen wurden und seither immer wieder zu Konflikten führen. 1884/85 hatte Bismarck die 14 führenden Kolonialmächte in seinen Reichskanzlerpalais eingeladen, um Afrika geometrisch aufzuteilen. Unweit dieses Ortes gibt es dank der Initiative der Afrikanischen Community seit 2005 eine Gedenktafel, die an diese folgenreiche europäische Aneignung Afrikas erinnert.Zum anderen verläuft ganz in der Nähe die „M*straße“, um deren Umbenennung in „Anton-Wilhelm-Amo-Straße“ Aktivist_innen seit Jahren ringen. Gespickt mit derlei Verknüpfungen kommt das Format der Lecture-Performance zu sich selbst: Sprache – hier Hauptausdrucksmedium – wird als Machtinstrument deutlich.
Black Bismarck revisitited (again) ist die Neuauflage einer Performance, die 2015 im Berliner Hebbel am Ufer Theater präsentiert wurde. Auch in der für Braunschweig überarbeiteten Version geht es um das Bewusstmachen eines „inneren Kolonialismus“, um die mutmaßlich „normale“ Perspektive von „überprivilegierten Unterpigmentierten“, wie sie sich in der Literatur und Musik, in der Wissenschaft und ohnehin in der Geschichtsschreibung hartnäckig zeigt. Black Bismarck revisited (again) konfrontiert mit den historischen Voraussetzungen unserer alltäglichen Sprache, unseres Erlebens. So wird „The Faculty of Sensing“ – die Fähigkeit der Wahrnehmung – einmal mehr als eine zutiefst von der kolonialen Erfahrung geprägte vorgeführt.
Zugehörige Veranstaltungen
Schulworkshop XXL mit Schüler_innen der IGS Franzsches Feld und RESOLVE Collective
Im Rahmen der Ausstellung THE FACULTY OF SENSING – Thinking With, Through and by Anton Wilhem Amo wurde ein Workshop mit Schüler_innen der IGS Franzsches Feld mit dem Londoner RESOLVE Collective initiiert.