Christian Naujoks
Soft Mouth Data Service (LP)
Verlags/Labels: Mutter-Ey-Press(e).
Format: Vinyl LP (Limited Edition, Transparent Vinyl)
Katalognummer: MEP002
Auflage von 300 Exemplaren, gepresst auf transparentem Vinyl, Lackschnitt von Mike Grinser. Inklusive Inlay mit Liner Notes von Colin Lang.
28 €
BestellenChristian Naujoks' Praxis ist von einer kritischen Melancholie geprägt, einer Perspektive, durch die er vergangene künstlerische und musikalische Möglichkeiten ohne die Krücke der akademischen Verstellung hinterfragt. Diese reflexive Herangehensweise bringt eine ganz eigene fragile und humorvoll-wehmütige Schönheit hervor, die ein referenzielles klangliches Weltgebäude hervorbringt, das auf das Hier und Jetzt ausgerichtet bleibt. In erster Linie als Komponist tätig, schafft er Werke in verschiedenen Medien, die oft von der seriellen und zyklischen Form verschiedener Stränge der Minimal Music und der Ausweitung (post-)konzeptueller Kunstverfahren auf die Produktion und Organisation von Klang geprägt sind. Indem er sowohl Naivität als auch Virtuosität vortäuscht, tarnt Naujoks das eine als das andere und verkleidet mühelos Kunst als Pop und umgekehrt.
Soft Mouth Data Service ist ein fortlaufendes Projekt von Konzerten und Installationen, das letzten Sommer in der Galerie Max Mayer begann. Die kompositorische Strategie der Reihe setzt spielerisch auf eine Methode, die als frühes Inventar im Werkzeugkasten der Institutionskritik gilt: die Umfrage. Im Vorfeld seiner Düsseldorfer Präsentation lud Naujoks das Publikum ein, einen Online-Fragebogen auszufüllen, wobei die von jedem_r Teilnehmer_in eingegebenen Daten die Grundlage für eine Reihe von maßgeschneiderten Partituren bilden sollten, die dann in grafischer Notation wiedergegeben und an drei Abenden im Verlauf der Ausstellung aufgeführt wurden. Die Input-/Output-Operationen dieses aleatorischen Rahmens kristallisieren sich formal und metaphorisch in den begleitenden Mouth Pieces heraus, den Mundstücken von Blechblasinstrumenten, die als fertige Skulpturen in die rohen Bimssteinwände der Galerie eingelassen sind, wie auf dem Cover der LP abgebildet.
Die elf Tracks seines neuen Albums, die live im Schmela Haus aufgenommen wurden, reichen von elektronischer Ambient-Musik, abstrakten Beats und mikrotonalen Gitarrenexkursionen bis hin zu eigenwilligen Interpretationen eines Ensemblestücks von Julius Eastman und Kate Bushs Running Up That Hill. Auf Aberrant Joan kombiniert Naujoks glitched string orchestration mit melodischen Synth-Flöten und betritt damit erneut einen Klangraum, den er erstmals in seiner Zusammenarbeit mit dem Künstler Ei Arakawa für die Skulptur Projekte Münster 2017 erkundet hat. Die wabernde Basslinie, die No Rave und Ambient Rave, ein Diptychon von Songs, die sich auf der A- und B-Seite gegenüberstehen, gemeinsam haben, hallt von den Tanzflächen der frühen 90er Jahre wider und führt die Musik in eine dunkle, clubbige Dimension, während Cosmic Stringz die Höhepunkte des quecksilbrig-romantischen Vorgängers Wave (Dial, 2016) beschwört, den der Kritiker Philip Sherburne als "das exquisiteste, melancholischste, was er bisher gemacht hat" lobte. Nach der campartigen Albernheit von Self-Castration In Ur Sleep lässt das Schlussstück des Albums, Tearz, ein Duett aus Klavier und Drum-Sampler, den Hörer weiter weg von der emotionalen Schwerkraft schweben, hin zu einem fernen Planeten der Trip-Hop-Ätherlichkeit.
Text: Moritz Nebenführ
Tracklist:
01 Melenkeyz
02 Aberrant Joan
03 No Rave
04 Cosmic Stringz
05 Soft Cover
06 Service Industry
07 Woman Ascending The Stairs
08 Ambient Rave
09 Insomnia
10 Self-Castration In Ur Sleep
11 Tearz