Markues
Prima Quallerina
Auf leeren Waschmaschinengehäusen sind Aquarelle wie Polypen sesshaft geworden. Ein schillernder Vorhang erinnert an durch eine Wasseroberfläche gebrochenes Licht, Seetang und Nesselfäden.
Die Ornamente und Muster der Zeichnungen scheinen nach allen Seiten fortsetzbar, zerfließen vor den Augen der Betrachtenden über die Blattränder hinaus. Wie die Medusen, die ein Polyp durch das Abschnüren einzelner Segmente bildet, sind die Ornamente von ihrem Ursprung entfernt. Motive des Umhertreibens und der Ortlosigkeit durchziehen die Ausstellung Prima Quallerina in der Remise des Kunstvereins.
Die ornamentalen Formen der Aquarellserie The Troubled Waters of Ethnic Heritage sind von Westerwälder Steinzeug, Bunzlauer Keramik oder auch Teppichen, Vorhängen, Tapeten und Kartenspielen entlehnt. Es sind Symbole ohne Status. Sie überlagern einander, sind losgelöst von ihren materiellen Trägern und geographischen wie persönlichen Verortungen. Markues richtet den Blick auf das Ornamentale und überführt dessen vermeintliche Nutzlosigkeit in eine malerische Fragestellung. Statt die eigene Biographie authentisch zu illustrieren, setzt Markues auf eine doppelte Verschiebung: Die Erwartung an die künstlerische Produktion gesellschaftlicher Minderheiten, ihre eigene Biografie zu Markte zu tragen, wird von den Zeichnungen nur scheinbar erfüllt und dabei durch deren einzelne Titel haltlos übersteigert.
Der Vorhang Window rekurriert auf die ‚Window‘ genannte Technik der Radarstörung, bei der metallbedampfte Streifen aus Flugzeugen abgeworfen werden, um deren Ortung zu erschweren. Der verwendete Farbton Chroma Blue wird in der digitalen Bildbearbeitung genutzt, um Objekte vor Blue Screens freizustellen und in beliebige Szenen einzusetzen. So verwandelt Markues das Innere des Ausstellungsraums in eine gebrochene Projektionsfläche, auf der Ursprünge unbestimmbar werden.
Vier Lesungen literarischer Texte aktivieren während der Ausstellungsdauer den Raum. Allen Texten ist gemein, dass die Protagonist_innen das erste mal ihr angestammtes Umfeld verlassen, als erste Generation umhertreiben – sie sind Prima Quallerinas.
Markues arbeitet als bildender Künstler und Autor in Berlin. Seine künstlerische Arbeit umfasst Malerei, Zeichnungen, Installationen und kuratierte Lesungen. Prima Quallerina ist seine erste institutionelle Einzelausstellung.
LESUNGEN:
24.09.2020, 16 Uhr / 18 Uhr
Nadira Husain und Markues lesen Die Bastardin von Violette Leduc (fr und de)
01.10.2020, 19 Uhr
Ulrike Bernard liest Außer sich von Sasha Marianna Salzmann (de)
08.10.2020, 19 Uhr
Alicia Agustín liest Das kunstseidene Mädchen von Irmgard Keun (de)
18.10.2020, 16 Uhr
Thomas Love liest Dawn (Xenogenesis) von Octavia E. Butler (en)
Aufgrund von begrenzter Kapazität empfehlen wir eine Voranmeldung für die Lesungen unter vermittlung@kunstvereinbraunschweig.de.
Kurator: Raoul Klooker