38 €
Mark Wallinger
Mark Wallinger (geb. 1959) gehört zur Generation der britischen Künstler/innen, die unter der Bezeichnung „Young British Art“ in den 1990er Jahren im Kunstbetrieb Furore gemacht haben. Allerdings unterscheiden sich seine Themen und künstlerische Sprache von „Kolleg/innen“ wie etwa Tracey Emin, Damien Hirst, Sarah Lucas oder Chris Ofili, die ihre Inhalte oft mittels di-rekter Provokation umsetzen. Wallinger untersucht in seinen Arbeiten die Mechanismen von Symbolen, Identitäten und den damit verbundenen Codierungen – nationale, religiöse, kul-turelle oder allgemein gesellschaftliche –, um diese zu verkehren, ironisch in Frage zu stellen und neu aufzuführen. Seine künstlerische Haltung verbindet gesellschaftliches und politisches Engagement mit Satire und einem Interesse an abendländischen Traditionen, wobei er sich so unterschiedlicher Medien bedient wie Malerei, Installation, Film, Fotografie, Objekt oder Performance.
1997 singt er z.B. in Hymn ein viktorianisches Kirchenlied – als Blinder verkleidet und einen bunten Ballon haltend, der sein Portrait als Kind zeigt. Seine durch Heliumgas verzerrte und kindlich gehöhte Stimme karikiert jeden unreflektierten Glauben als Kinderglauben; als blinden Glauben, dem die Luft ausgeht wie dem Ballon am Ende des Liedes. 2001 setzt er George Stubbs’ berühmtem Pferdeportrait Whistlejacket das Horn eines Einhorns auf, lässt es geheimnisvoll von hinten beleuchten und macht aus dieser Ikone britischer Kultur aus dem 18. Jahrhundert einen Ghost vergangener Pracht und Macht des Commonwealth. Im selben Jahr schmückt er den britischen Pavillon auf der Biennale in Venedig mit der Fahne des Union Jacks, dabei die Farben Blau-Rot in irisches Orange-Grün verkehrend (Oxymoron). 2004 trottet er sieben Nächte lang im Bärenkostüm durch das hell erleuchtete Erdgeschoss der Neuen Nationalgalerie in Berlin, für jeden Nachtschwärmer durch die große Fensterfront des Mies van der Rohe-Baus sichtbar. Durch den Titel Sleeper verknüpfen sich Vorstellungen an Berlin als ehemaliger Hochburg für Spione und Agenten mit der Panikmache um den 11. September und dem Wappentier der Stadt. Und 2007 baut er im Eingangsbereich der renommierten Tate Britain den über 40 Meter langen Protestzaun nach, den der Brite Brian Haw anlässlich des Irak- und Afghanistankrieges und der britischen Verflechtung darin seit 2001 am Parliament Square gegenüber des Westminster Palastes in London aufgestellt und ständig erweitert hatte – und den die britische Regierung im vergangenen Jahr im Zuge eines plötzlich erlassenen Demonstrationsverbotes im näheren Umkreis des Regierungsviertels über Nacht hat entsorgen lassen (die Tate Britain allerdings befindet sich innerhalb dieser Bannmeile).
Obwohl einer der wichtigsten britischen Künstler seiner Generation war Wallingers Ausstellung im Kunstverein Braunschweig seine erste Retrospektive in Deutschland. Seine Arbeit wurde bereits in zahlreichen internationalen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt (wie zum Beispiel bei den Skulptur Projekten in Münster) und er selbst wurde für den renommierten Turner Prize nominiert. Die Ausstellung in Braunschweig gab einen umfangreichen Überblick über Wallingers künstlerisches Schaffen der letzten Dekade in Form von Filmprojektionen, Fotografien, Objekten, Installationen und Gemälden. Außerdem wurden neue, zuvor nicht gezeigte Arbeiten präsentiert.
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Kunsthaus Aarau, Schweiz. Der begleitende Katalog ist in deutsch-englischer Sprache im Frühjahr 2008 bei jrp l ringier, mit Texten von Yve-Alain Bois, Madeleine Schuppli und Janneke de Vries erschienen.
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