Attraction étrange
20 €
Das französische Künstlerduo Louise Hervé & Clovis Maillet (beide Jahrgang 1981) funktionierte die Remise des Kunstvereins in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung in Deutschland zu einem Ort für Lehre und Forschung um. Die Installation, eine Mischung aus Sitzungsraum, Archiv und Bibliothek, wurde zur Bühne für Diskussionen und wissenschaftliche Ausführungen, die sich um den Mythos Pythagoras drehten. Zu sehen war erstmals auch Hervés und Maillets Film Pythagoras and the Monsters, der eigens für die Braunschweiger Ausstellung entstanden ist.
Archivalisch nicht greifbar – die ersten schriftlichen Aufzeichnungen entstanden erst Jahrhunderte später – zählt Pythagoras zu den rätselhaftesten Persönlichkeiten unserer Geschichte. In Pythagoras and the Monsters wird der antike Mathematiker und Philosoph zum Filmhelden: er spielt die Hauptrolle in einer Mischung aus Western, Historien- und Gladiatorenfilm. Für die so genannten „Schwert- und Sandalenfilme“, die in den 1960er Jahren beispielsweise mit dem Hollywood-Epos Ben Hur sehr populär wurden, interessieren sich die beiden Künstlerinnen bereits seit längerer Zeit.
Die Darstellung von Fiktion im historischen Gewand oder die künstlerische Weiterverarbeitung von historischen Bruchstücken ist bei Louise Hervé & Clovis Maillet Strategie ihrer Werke. Bekannt wurden sie mit ihren performativen Aktionen: Mit streng zurückgekämmtem Haar und Stiftrock präsentierten sie, für den Zuschauer ununterscheidbar, Dokumentation und Fiktion in didaktisch und gleichzeitig poetisch angelegten Performances. Dokumente, literarische Referenzen und Fundstücke fließen sinnhaft ineinander. Auch in ihrem Projekt für die Remise des Braunschweiger Kunstvereins ging es um Rhetorik und den sprachlichen Jargon von Wissenschaft und Didaktik, um das Wesen von Geschichte, um das Forschen und die wissenschaftlichen Aufarbeitungsprinzipien selbst. Sowar der Ausstellungsraum sowohl eine Installation aus Vitrine, Büchern und Objekten, als auch ein Vortragssaal, denn Hervé & Maillet haben in Braunschweig lehrende Professoren zu Vorträgen eingeladen.
Eine sehr ähnliche Vorgehensweise wie in ihren Performances oder Installationen verfolgen Louise Hervé & Clovis Maillet in ihren 8mm Filmen. Hierfür verbinden sie vielsichtig geschichtliche oder autobiografische Fakten mit Elementen aus Science-Fiction Filmen und Lehrbüchern. In diesen hinterfragen sie unter anderem Vermittlungsstrategien, die typisch für Bildungsinstitutionen sind, um sie gleichzeitig für ihre Werke in Anspruch zu nehmen. Durch die Wiedergabe mit alten 8mm Projektoren erscheinen nicht nur die Filme selbst wie Relikte aus vergangenen Zeiten, sondern auch ihre Präsentation.
Das Künstlerduo Louise Hervé & Clovis Maillet arbeitet seit zehn Jahren zusammen. Während Louise Hervé zunächst Kunstgeschichte und danach an der École Nationale d’Arts de Cergy Kunst studierte, absolvierte Clovis Maillet zusätzlich zu Geschichte und Kunstgeschichte ein Studium der Anthropologie. Neben bedeutenden Preisen und Stipendien erhielten sie 2008, verbunden mit einer Gruppenausstellung, ein Atelierstipendium am Palais de Tokyo.
Die Ausstellung wurde unterstützt durch:
Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur
Institut Francais, Deutschland