Gili Tal
The Cascades
Die Arbeiten von Gili Tal greifen auf verschiedene Genres kommerzieller Fotografie wie die Immobilienfotografie zurück und imitieren deren Konventionen, um der Fetischisierung urbaner Räume nachzuspüren. Tal bedient sich architektonischer Elemente wie Billboards und Straßenlaternen und nutzt häusliche Objekte, darunter Rollos und Fensterläden, um passive Betrachter_innen anzudeuten, die im Angesicht ungehinderter baulicher und gesellschaftlicher Entwicklungen zum bloßen Zuschauen verdammt sind.
Gili Tals Ausstellung The Cascades besteht aus einer Serie digitaler Drucke, die den Innenraum der Remise wie eine unregelmäßige schachbrettartige Fassade bedecken. Die als Window (Rainscreen Wash) betitelten Arbeiten zeigen ein sich wiederholendes stilisiertes Regenmotiv, das im Stil von Stockgrafiken gezeichnet ist. Die in verschiedenen Blautönen gehaltenen Bilder, auf denen buchstäblich verwaschene „Shutterstock“-Wasserzeichen zu sehen sind, erinnern an Straßenansichten von Neubauten, in deren Glasscheiben Wasser, Licht und Schatten gespiegelt werden – ein Effekt, den auch viele Aluminiumfassaden in der zeitgenössischen Architektur aufgreifen.
Wie eine Verkleidung schiebt sich die Hängung der Arbeiten vor und über die bestehenden architektonischen Merkmale des Raumes. Die hierdurch entstehende Schichtung erinnert an offengelassene Browserfenster auf einer Bildschirmoberfläche und führt die Werkserie in den digitalen Raum zurück, in dem sie – ähnlich wie auch viele Gebäudefassaden – entworfen wurde. Die Ausstellung fragt, inwieweit simulierte Darstellungen und deren Hang zum Generischen sich auf die materielle Beschaffenheit und das subjektive Erleben der analogen Welt auswirken, und welche der beiden Sphären dabei den Vorrang hat.
Verglichen mit dem alltäglichen Leben sind Portale zu einem anderen Ort immer verführerisch. Somit ist die Attraktivität von Elementen wie Fenster (engl.: windows) und Fensterläden (engl.: shutters) für digitale Marken naheliegend, besonders, wenn sie mit dem Optimismus einer klaren Sicht aufwarten. Tals Arbeiten scheinen auf eine ähnliche Weise anfällig für Schwellenmotive und die Verheißung von einem virtuellen Jenseits zu sein. Doch sie beinhalten immer auch Formen der Entmündigung, die das Fortkommen erschweren. Die in den Bildern verschmelzenden Bedeutungen von „Shutterstock“ und „Windows“ erfahren mehrere Umkehrungen: Das Wetter wird in den Innenraum und das innere Gefühl der Niedergeschlagenheit nach außen verlagert – es erstreckt sich über die gesamte Oberfläche der Leinwand. Statt nach draußen scheinen wir ins Innere zu sehen. Doch wohin genau? Der Ausblick, den Fenster eigentlich ermöglichen sollten, ist so häufig fotografiert worden, dass er fast in Vergessenheit gerät. Statt das mit Fenstern assoziierte Schweifen und Reflektieren zu ermöglichen, wird unser Blick jäh unterbrochen und zurückgeworfen. Wie in Tals früheren Arbeiten, die die merkwürdige Selbstbezogenheit von Ausstellungsfotografien offenlegen, treffen wir dort, wo ein Fenster sein sollte, auf eine andere Art der Spiegelung, einen geschlossenen Laden, ein Stockfoto oder ein Rauschen.
Gili Tal (*1983) lebt in London. Zuletzt realisierte sie die Einzelausstellungen For the Sake of Those Who Would Discriminate Between Hallucinations, Galerie Buchholz, Berlin (2020); Mastering the Nikon D750, gta Ausstellungen, Zürich (2019); Civic Virtues, Cabinet, London (2018); Roaming, Jenny’s, Los Angeles (2016) und Paris Gardens London, Goton, Paris (2016).
Kurator: Raoul Klooker
Die Ausstellung wird gefördert von:
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