Figures of Perception
26 €
Ebbe Stub Wittrup betreibt Wahrnehmungsstudien und rückt ins Bewusstsein, wie Realität gesehen und zu sehen gelernt wird. Fraglos findet Wahrnehmung nicht nur über die Retina des Auges statt, sondern ist ein komplexer, dynamischer Prozess, der durch individuelle wie gesellschaftliche, historisch wie kulturell geprägte Wahrnehmungsmuster beeinflusst ist. Dafür bedient sich Wittrup Phänomenen der Wahrnehmungspsychologie, mythischen Erzählungen oder der Kunstgeschichte – nicht selten verflicht er das Eine mit dem Anderen.
Mit den monochromen Fotoarbeiten der Serie After Matyushin’s Guide to Color (2014) nimmt er Bezug auf die Farbenlehre des Malers und Komponisten der russischen Avantgarde, Mikhail Matyushin. Durch Wittrups filmische Arbeit Mary Rose – A Play in Three Acts (2011) kommen Fragen danach auf, wie etwas ins Bild gesetzt werden kann, was sich diesem im selben Moment entzieht – ähnlich einer mythologischen Erzählung, die gleichermaßen allem rationalen Denken widerstrebt und doch immer wieder dazu verführt, sich mit ihr auseinander zu setzen.
Seine Recherchen setzt Ebbe Stub Wittrup in Objekten, Filmen, Fotografien und Installationen um, spürt Geheimnissen der Wahrnehmung nach, ohne sie schließlich aufzulösen. Durch und durch beherrscht Wittrup das Feld der Inszenierung und des Verklärens, wobei Sinnes- und inhaltliche Ebene eng miteinander verzahnt sind. Wirkliche und unwirkliche Phänomene gleiten ineinander und fordern damit den Betrachter zu einer bemüht gründlichen Wahrnehmung dessen heraus, was er sieht, liest oder hört. Ebbe Stub Wittrups Werke zu betrachten heißt, sich auf einen ständig aktiven Wahrnehmungs- und Reflexionsprozess einzulassen. Mittels einer optischen Täuschung, wie sie das Video Ropes vorführt, indem eine aufwärts strebende Bewegung von Seilen suggeriert wird, bekräftigt der Künstler in der Arbeit The Indian Rope Trick (2012) ein Phänomen, das sich so in Indien zugetragen haben soll: Ein senkrecht in die Höhe ragendes Seil ermöglicht es denjenigen, die daran empor klettern, im Nichts zu verschwinden. Seine künstlerische Strategie – den tatsächlichen Seheindruck mit dem Mythos zu verquicken – lässt an eindeutigen Antworten zweifeln.
Wittrups Ausgangsmedium, die Fotografie, ist in den meisten der Werke immer noch präsent. Als vermeintlich neutrales Aufzeichnungsinstrument lädt dieses immer wieder dazu ein, das Verhältnis zwischen Realität und Abbild zu hinterfragen. So verleiten die Fotografien Perception Figures (2015) dazu, auf der zweidimensionalen Oberfläche räumliche Tiefe zu erkennen.
Immer wieder stößt der Besucher auf formale wie inhaltliche Verknüpfungen innerhalb der Ausstellung. Gezielt im Grundriss der Villa Salve Hospes positioniert, spielt Ebbe Stub Wittrup mit Symmetrien und Sichtachsen von Werken und Räumen. Wo formale Präzision und irrationale Geschichten aufeinander treffen, lassen sich weitere Bedeutungsebenen – ein dritter Raum oder ein Bild dahinter – enthüllen.
Ebbe Stub Wittrup (*1973 in Aarhus, Dänemark) lebt und arbeitet in Kopenhagen. 2014 widmeten ihm das Aros Aarhus Museum of Modern and Contemporary Art und 2013 das Kirchner Museum in Davos Einzelausstellungen. Darüber hinaus nahm er an zahlreichen Gruppenausstellungen in Dänemark und international teil. Seit 2013 unterrichtet er als assoziierter Professor an der Jutland Academy of Fine Arts.
GÄSTEZIMMER: JONAS WEICHSEL
Als Kommentar und Kontrast zur jeweiligen Hauptausstellung werden KünstlerInnen oder KuratorInnen eingeladen, jenen Raum zu bespielen, der ursprünglich in der Villa Salve Hospes als Gästezimmer genutzt wurde.
Der erste Gastkünstler Jonas Weichsel (*1982 Darmstadt, lebt in Frankfurt am Main) zeigt Malerei. Dafür überzieht er eine zunächst digital erzeugte und gedruckte Komposition aus geometrischen Formen mit feinsten Schichten aus Acrylfarbe. Neben einem komplexen Farbspiel entsteht auch der Eindruck von Räumlichkeit.
Kuratiert von: Jule Hillgärtner / Kuratorische Assistenz: Aline Fieker
Die Ausstellung von Ebbe Stub Wittrup wird ermöglicht durch:
Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur
Stiftung Niedersachsen
Danish Art Foundation