Crosskick
7,50 €
Teil I: Markus Hahn, Christoph Meier, Philipp Leissing und Lisa Rastl
Im Rahmen des bundesweiten Projektes CROSSKICK, das die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Kunstvereine (ADKV) initiierte, lud der Kunstverein Braunschweig die Akademie der bildenden Künste Wien ein. CROSSKICK fand von Mai 2006 bis November 2007 in 13 Kunstvereinen statt, die 30 Kunsthochschulen Europas vorstellten und unterschiedliche Modelle der Ausbildung, Produktion und Vermittlung von Kunst in Ost- und Westeuropa diskutierten.
Der Kunstverein Braunschweig präsentierte in der Studiogalerie in zwei Gruppenausstellungen stellvertretend künstlerische Positionen. Im ersten Teil wurden Arbeiten gezeigt, die die Rahmenbedingungen von Kunst thematisieren.
In der Arbeit Sammlung Markus Hahn präsentiert der Künstler Markus Hahn seine Sammlung. Er eignet sich einzelne Schließfächer öffentlicher Institutionen an, besetzt und verschließt diese und behält die Schlüssel. Hahns Sammlung besteht also aus Schlüsseln, die den Zugriff auf Schließfächer verwalten. Er untersucht damit die dem System Sammeln inhärenten Aspekte von Selbsterweiterung, Leidenschaft und Macht. In einer ökonomischen Welt bedeutet Sammeln den Erwerb eines Objekts, doch gerade darauf verzichtet der Künstler. Da er keine Lizenz für die dauerhafte Inanspruchnahme der Schließfächer erwirbt, bleiben die Schließfächer wie auch deren Nutzungsrechte im Besitz der Institutionen. Hahns illegale Besetzung, die über die gewährte Eintagesnutzung hinausgeht, bleibt solange bestehen, bis die „feindliche“ Übernahme den Institutionen auffällt.
Die Schließfächer selbst bespielt Hahn in unterschiedlichster Weise. In einem Schließfach des Kunsthauses Graz lagert er zum Beispiel Arbeitsmaterial für eine fiktive Ausstellung, in einem der Akademie der bildenden Künste Wien erstellt er eine Bibliothekserweiterung mit Büchern aus seinem eigenen Besitz und in einem Schließfach des Leopold Museums in Wien kuratiert er eine Ausstellung mit Modellen des Bildhauers Heiko Börner.
In der Ausstellung in Braunschweig sind ein Schlüsselkasten mit den verschiedenen Schließfachschlüsseln und mehrere kleine Fotografien ausgestellt. Die Objekte sind Referenzen, die auf die eigentliche Arbeit der okkupierten Schließfächer verweisen, und die Fotografien dokumentieren deren Inhalt.
Christoph Meiers Thematisierung der Produktionsbedingungen von Kunst ist in seinem Atelier verankert. Das Atelier ist der Ausgangs- und Bezugspunkt seiner Arbeit und stellt gleichzeitig das Materiallager für seine Arbeiten dar. In der Arbeit Setting#01 nimmt Meier einen in seinem Atelier herumstehenden Karusselldiaprojektor, legt ihn auf den Rücken und schaltet ihn ein, sodass dieser sich um die eigene Achse dreht. Durch die Rückenlage des Projektors wird sein eigener technischer Aufbau außer Funktion gesetzt, so dass das Projektionslicht im Gerät blockiert wird. Licht ist nicht nur für die Dia- und Filmpräsentation nötig, sondern auch inner-halb der Produktion selbst. So stellt Meier in Setting#2 ein Spotlicht auf einem Sockel aus. Im Mittelpunkt seiner Arbeiten steht nicht mehr das Bild selbst, sondern er rückt die Hilfsmittel der technisch reproduzierbaren Kunstwerke ins Zentrum seines Interesses.
In der Arbeit Pictures at the Pictures von Philipp Leissing bildet eine fast 9 Minuten lange Szene aus dem Film Dressed To Kill von Brian de Palma die Grundlage. Der Ausschnitt zeigt eine der Hauptszenen des Films, in der der vermeintliche Täter sein Opfer durch das Metropolitan Museum of Art in New York verfolgt. Während sich im Film jedoch der Zuschauer auf die Protagonisten konzentriert und die einzelnen Kunstwerke nur im Hintergrund erscheinen, dreht Leissing dieses Verhältnis um, indem er alles bis auf die Kunstwerke einschwärzt. Die beiden Hauptdarsteller, andere Besucher, Gegenstände und die Wände verbinden sich zu einem nicht definierbaren schwarzen Hintergrund und verhelfen dadurch den Kunstwerken wieder in den Vordergrund zu rücken. Nur wenn die Protagonisten direkt vor einem Gemälde stehen, werden die schwarzen Silhouetten vor dem farbigen Grund sichtbar. Leissing löst damit spielerisch das traditionelle malerische Verhältnis von Figur und Grund auf. Das Erkennen der Schauspieler wird durch das Hören ihrer Bewegungen im Raum und die leisen Hintergrundgeräusche im Museum unterstützt.
In den Fotografien three examples 1-3 wählt Leissing drei Filmstills aus den Filmen Matrix, Fear and Loathing in Las Vegas und Ein Fisch namens Wanda aus. Alle drei Ausschnitte offenbaren durch die Spiegelung in einem Objekt die Filmkamera, mit der die Szene gefilmt wurde, und die umstehende Filmcrew. Während in dem sich schnell bewegenden Bild des Filmes solche Hinweise auf seine Produktionsbedingungen für das menschliche Auge nicht wahrnehmbar sind, macht Leissing diese in seinem Filmstill wieder sichtbar.
Auch die Arbeiten von Lisa Rastl thematisieren die Rahmenbedingungen von Kunst, indem sie deren Präsentationsbedingungen im institutionellen Raum analysiert. Rastls Interesse gilt jedoch dabei nicht der dem Museumsbesucher bekannten Ausstellungssituation, sondern sie richtet ihren Blick auf die Orte oder den Zeitpunkt, die dem Besucher nicht gewährt werden.
In ihrer Serie Aus der Serie Museum im Zustand präsentiert sie im Kunstverein Braunschweig Arbeiten, die im Depot des Centre Pompidous in Paris und während des Ausstellungsauf- und Abbaus im Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien und im Centre Pompidou entstanden sind. Rastl ermöglicht dem Betrachter einen Blick hinter die Kulissen. Sie zeigt die verpackten und gestapelten, gekennzeichneten und archivierten Kunstwerke im Depot oder im Ausstellungsraum beim Auf- und Abbau. Lisa Rastl befriedigt damit nicht nur den voyeuristischen Blick, sondern macht die Ausstellungsökonomie in ihren Arbeiten sichtbar. Während im 19. Jahrhundert der Besucher noch zur Kunst reisen musste, wandern heute die Kunstwerke von Ort zu Ort. Wanderausstellungen sind ein wichtiges ökonomisches Instrument der Kulturindustrie. Gleichzeitig greift das gezeigte Ausstellungschaos die Aura des White Cubes an und macht die Inszenierung der Ausstellung sichtbar. Neben den Ausstellungsbedingungen zeigen die Arbeiten von Rastl auch Produktionsbedingungen einzelner Werke auf. So ist in einer Arbeit ein Leuchtkasten von Jeff Wall abgebildet, dessen Fotografie noch nicht eingesetzt ist und dadurch die dahinter liegenden Neonröhren sichtbar sind.
Zur Ausstellung erschien ein Katalog, der alle gezeigten Arbeiten dokumentiert.
Unser Dank gilt der Kulturstiftung des Bundes,
der Stadt Braunschweig und dem Land Niedersachsen