Fault On The Right Side
22 €
Die installativen Eingriffe der schottischen Künstlerin Claire Barclay (geb. 1968) reagieren gleichermaßen präzise wie atmosphärisch auf die vorhandenen Räumlichkeiten des jeweiligen Ausstellungsortes. Ihre Anordnungen bestehen aus einer Vielzahl unterschiedlicher Materialien und Formen in ungewöhnlichen Zusammenstellungen und verorten sich zwischen den Polen von Funktion und Dekoration, hart und weich, schwer und leicht, offen und geschlossen, minimal und monumental, Natur und Künstlichkeit oder Handwerk und industrieller Herstellung. Obwohl in ihrer Formensprache abstrakt, sind Barclays Installationen, Objekte, Zeichnungen und Prints eigentümlich erzählerisch, indem sie an Gewusstes und Bekanntes anknüpfen, ohne dies jedoch ausdrücklich zu formulieren. Ihre Arbeiten sind durch das weite Referenzfeld, das sie offen legen, auf einer intuitiven Ebene fassbar und erhalten sich gleichzeitig eine Aura des Geheimnisvollen. Sie spielen mit Vorstellungen von Benutzbarkeit, indem sie eine Funktion nahe legen, und entziehen sich ihr im selben Moment, indem sie sie wieder unterlaufen.
Für das Erdgeschoss des Haus Salve Hospes entwickelte Barclay Arbeiten, die in ihrer Abfolge, ihren Referenzen und ästhetischen Charakteristika als Gesamtkomposition aufgefasst sind und eine Dramaturgie und Rhythmik von Raum zu Raum entwickeln. Die Objekte und Installationen nahmen die Vorgaben der räumlichen Gegebenheiten auf, erweiterten oder konterkarierten sie. So wurden etwa Durchgänge und Sichtachsen verstellt, Raumproportionen betont, Symmetrien gespiegelt und Dekor aufgenommen. In ihrem Vorgehen erreichte die Künstlerin eine Verbindung von vorgefundener, historisch aufgeladener Architektur und künstlerischem Werk, ohne beides zu einem homogenen Ganzen zu verschmelzen. Vielmehr wurde das Augenmerk auf die Besonderheiten beider Elemente gelenkt, indem sie sich gegenseitig steigern. Doch bildete auch die Ausstellung in Braunschweig in Barclays Schaffen nur eine Momentaufnahme innerhalb eines sich ständig weiterentwickelnden Produktionsprozesses, ein kurzes Innehalten, in dem vorherige Präsentationsergebnisse aufgenommen, variiert und weiterentwickelt wurden. Wie sie selbst es beschrieb: „I see the installation very much as a pause in an ongoing process.“
Barclays Präsentation im Erdgeschoss bildete einen reizvollen Gegensatz zu der Ausstellung von Tobias Buche im Obergeschoss, die sich mit ihren Stellwänden weitgehend unabhängig machte von den vorgegebenen Räumlichkeiten des Kunstvereins. Mit ihrem Interesse an den unterschiedlichen Qualitäten von Form und Material sowie der Geschichte von Kunst, Design und Ornament reiht sich Barclay in die Künstlergeneration um Carol Bove, Wade Guyton, Simon Dybbroe MØller, Katja Strunz oder Cathy Wilkes ein. Gleichzeitig aber bewahrt sie sich mit ihrem Vorgehen, das sich dezidiert in Auseinandersetzung mit den vorgefundenen Räumen entwickelt, eine hohe Eigenständigkeit.
Claire Barclay war bereits mit Einzelausstellungen in der Tate Britain in London und dem Moderna Museet in Stockholm sowie in zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen wie der Biennale in Venedig oder in der Whitechapel Art Gallery in London vertreten. Ihre Präsentation im Kunstverein Braunschweig ist dagegen ihr erstes Auftreten in Deutschland. Zur Ausstellung ist ein Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther König erschienen, der die Arbeiten im Haus Salve Hospes ausführlich dokumentiert sowie Barclays Schaffen in einem erläuternden Text und einem Gespräch mit Janneke de Vries vorstellt.
Die Ausstellung wurde gefördert vom British Council und der Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz.