Museum der römischen Kultur
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Das familiäre Wohnzimmer, ein plüschiges und glitzerndes Hotelfoyer, die harten öffentlichen Hallen für Sport und Kultur – trotz ihrer modernistisch-ästhetischen Gleichfömigkeit sind diese Orte und Plätze aus sehr widersprüchlichen Codes zusammengesetzt. Manchmal, in fotografische Codes übertragen, zeigen sie sich als utopisch pastell-geflieste Container von Lebenswelten vergangener Dekaden.
Wie viele andere KünstlerfotografInnen spürt Amelie von Wulffen den architektonischen Fragmenten des modernen Gedächtnisses nach. In der zeitgenössischen Kunstproduktion kommen diese Formen häufig als Desiderate einer bereits abgeschlossenen Geschichte vor und können so zum Gegenstand einer pflegenden, leicht goutierbaren Retrospektion werden.
Amelie von Wulffen hingegen verschiebt diese Elemente auf die Bühne der Idiosynkrasie. Sie geraten zum Fluchtpunkt einer romantischen, schaurigen Selbst-Spiegelung, in denen das Kunstfoto, die wohlfeile Repräsentation des gesellschaftlichen Raums, mit malerischen Retuschen und durch Montagen überlagert und verzerrt wird. Männliche Figuren treten aus den Archiven der römischen Geschichte hervor, einsame SchwimmerInnen tauchen auf, anonyme Museumsbesucher verlassen durch verschachtelte Fluchtwege den Bildraum.
Kommt es in diesen übersteigerten Verhältnissen zwischen Raum und darin verloren wirkenden Figuren zur Neuauflage des Künstlerdauerthemas "Mensch und Sein"? Es scheint, als würde man hier mit dem ambivalenten Humor einer Künstlerin konfrontiert, in dem die gestalterische Übertreibung aus dem Arsenal künstlerischer Ausschweifung eine nicht ganz unmaßgebliche Rolle spielt. - Die Ruine, die Klippe, der Abgrund oder die Tür nach Außen als romantisches Todesmotiv.
Für ihre Ausstellung im Braunschweiger Kunstverein hat Amelie von Wulffen die Hälfte der Studiogalerie schwarz gestrichen, wie ein Kino, dessen reale, architektonische Präsenz ausgeblendet werden soll. Auf dieser schwarzen Fläche sind polyzentrale Wahrnehmungen von vergessenen, funktionslosen Räumen verteilt, fast so, wie sie auch gerne in Filmen verwendet werden, die ihre Darsteller in scheinbar alltäglichen Architekturen unbarmherzige Psychodramen spielen lassen - dem relativ komplizierten Abbildungsapparat sind im Ausstellungsraum aber drei Säulen, die die Museumsarchitektur in Rom als 1:1 Wirklichkeit zitieren, zugeordnet.
Die Verräumlichung der Filmanalogie ist in einfache Formen von Erzählung übertragen, wie die Zugreise etwa, wie die Wiederholung von Bildmotiven bei neuer Handlung, ebenso wie Zoomaufnahmen einiger Motive.
Die Künstlerin kommt das erste Mal in die ihr fremde Stadt. Schon während der Fahrt tauchen vergangene Bilder wieder auf. Träume, die hermetisch in Architektur verbaut sind. Bilder, in denen das abstoßende Ziel ihrer Reise aufscheint. Ein Stadtmuseum, das zur Mussolini-Zeit gebaut wurde.
Zur Ausstellung ist eine 20-seitige Publikation mit Texten von Josef Strau und Isabelle Graw erschienen.