Finding my Balance
sold out
Michaela Meise, 1976 in Hanau geboren, studierte von 1996 bis 2000 an der Kunsthochschule Kassel und von 2000 bis 2003 an der Städelschule in Frankfurt. Sie arbeitet in den Medien Rauminstallation, Zeichnung, Malerei und Performance. Michaela Meise arrangiert in ihren Ausstellungen einzelne Versatzstücke zu collageartigen Raumbildern. Ihre Skulpturen erscheinen dabei wie möbelartige Raumstrukturen, die sich einer tatsächlichen Benutzung jedoch verweigern. Aufkaschierte Schwarzweißfotografien vorzüglich weiblicher Protagonisten oder ausgefräste Wörter, die Verwendung von Holz und Pappe und die sehr unterschiedlichen Ausgangsgrößen ihrer Arbeiten lassen diese zwischen Bildträger, Architekturmodell und Skulptur changieren und verschieben die Grenze zwischen Zweidimensionalität und Raum.
In ihrer Ausstellung in der Studiogalerie des Kunstvereins Braunschweig zeigt Michaela Meise eine raumgreifende Skulptur aus ineinander verschachtelten, braun und violett lackierten Tischlerplatten. Die Skulptur unterteilt den Ausstellungsraum durch ihre einzelnen Fragmente in kleine Kammern, die Assoziationen an die Zimmer einer Wohnung, die parzellenartige Architektur von Messeständen oder an eine Ausgrabungsstätte antiker Ruinen wachrufen. Beim Umschreiten dieser zentralen Holzstruktur trifft der Besucher auf weitere Skulpturen: ein quaderförmiger, ebenfalls aus Tischlerplatten zusammengebauter Pfeiler, auf dessen vier Seiten schwarzweiße Computerausdrucke einer antiken Löwenfigur aufgeklebt sind, winkelartige, weiß lackierte "Klammern" und ein kleines Papphaus, dessen vier Außenwände aufkaschierte Schwarzweißfotografien androgyner Schönheiten zeigen. Erneut begegnet man den Löwenskulpturen vergrößert an der Hauptwand des Ausstellungsraumes, an die sie wie zur Überwachung der skulpturalen Szene plakatiert sind. Die Versatzstücke dieses Arrangements lassen uns zunächst ratlos. Es macht den Anschein, als verhindere Michaela Meise ein Lesen und Interpretieren der einzelnen Elemente in ihrer Ausstellung. Dennoch stellt Michaela Meise bruchstückhaft versteckte Hinweise zur Verfügung, die ein Aufschlüsseln ihrer Skulpturengruppe ermöglichen.
Inner balance als Titel des Posters zur Ausstellung verweist auf das Spiel von Proportion und Dimension, das als immanenter und grundlegender Bestandteil jeder Skulptur verstanden werden kann. Wann kann bei einer Skulptur von der inneren Balance gesprochen werden, wann tritt Formvollendung ein? Michaela Meise reiht sich mit dieser Untersuchung von Form in die jahrhundertealte Geschichte und Entwicklung von Architektur und Skulptur, deren Ursprung in den Tempelanlagen und monumentalen Skulpturen der Antike zu finden ist.
Was haben aus Stein gehauene Löwenskulpturen mit den aus einfachen Formen konzipierten, an die Bauhausprinzipien und die Minimal Art erinnernden Skulpturen Meises zu tun? Ähnlich wie bei Tom Burrs billboardartig präsentierten Fotosammlungen oder den aufgeklebten Fotos und Materialproben auf den Säulenskulpturen Isa Genzkens dienen Michaela Meises einfache Formen als Träger von Informationen, die versatzhafte Stimmungen zusammenzufügen scheinen. Die vier androgynen Schönheiten, deren zeitliche Zuordnung und Ursprung nicht eindeutig bestimmbar sind und die antike Löwenskulptur aus dem 7. Jh. vor Chr. auf der griechischen Insel Delos erzählen von Reisen in ferne Länder und vergangene Zeiten und fügen collageartig eine Atmosphäre zusammen, in der die Skulpturen wirken können. Die gewollt provisorische Art der Verarbeitung stellt sich dabei einer romantisierenden Sicht entgegen und bringt den Besucher unmittelbar zu dem zurück, das er vor sich hat: ein Arrangement von Skulpturen, die auf der Suche nach der vollendeten Form sind.
Im Anschluß an die Eröffnung Auftritt von Da Group: Die Bann Bennifer Schatulle.
Zur Ausstellung ist ein Katalog mit Texten von Henning Bohl und Ursula Panhans-Bühler erschienen.
Unser Dank gilt dem Braunschweigischen Vereinigten Kloster- und Studienfonds und der Stiftung Kunstfonds. Ebenfalls danken wir dem Hofbrauhaus Wolters, der Stadt Braunschweig und dem Land Niedersachsen.