Les débuts de Chéri Samba
€ 19.80
Der Kunstverein Braunschweig zeigt vom 05. März bis 01. Mai 2005 eine umfassende Ausstellung des 1956 in Kinto-M'Vuila, Zaire, geborenen Künstlers Chéri Samba. Die Ausstellung umfaßt eine Auswahl von Werken aus den späten 70er Jahren und von zentralen Bildern aus den 80er sowie 90er Jahren. Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog in deutscher und englischer Sprache, der alle gezeigten Werke dokumentiert.
Wie viele afrikanische Künstler begann Chéri Samba seine künstlerische Karriere als Autodidakt. Schon als kleiner Junge verkaufte er mit großem Erfolg seine humorvollen Zeichnungen in der Schule. Nachdem Samba 1972 die Schule abbrach und seine Familie verließ, arbeitete er zunächst als Zeichner bei verschiedenen Werbeagenturen im nahe gelegenen Kinshasa. Bereits 1975 eröffnete er dort sein eigenes Studio, welches ihm bis heute als Atelier dient, und war bald ein gefragter Grafiker und Schildermaler. Ausgehend von dieser Gebrauchsgrafik widmete Chéri Samba sich seit 1975 der Malerei. Seine Beteiligung an der 1989 im Centre Pompidou stattfindenden Ausstellung Magiciens de la Terre verschaffte Samba erstmalig internationale Anerkennung. Es folgten Ausstellungen in Europa und in den USA.
Sambas Bilder zeichnen eine bildnerische Klarheit und Unverfrorenheit aus, um auf aktuelle politische sowie kulturelle Entwicklungen im modernen Afrika aufmerksam zu machen oder um einen fragenden Blick auf Riten und Bräuche des europäischen Kontinents zu lenken. Seine Bildwelt ist inhaltlich geprägt von den Konflikten, die sich aus der Konfrontation westlicher Zivilisation mit den eigenen, tief wurzelnden Traditionen zwangsläufig ergeben haben und die auch nach dem Rückzug der einstigen Kolonialherren nicht überwunden sind. Diese politische Dimension seines Werkes ist aber auch kennzeichnend für seine bildnerische Praxis, die seine eigene künstlerische Basis als Schildermaler und Illustrator reflektiert. Mit pointierter Sicherheit ironisieren die Bilder alle sozialen Schichten der Zaire - humorvoll, bissig, nachdenklich stimmend, aber auch mahnend. Seine bildimmanenten Botschaften unterstreicht Samba durch die Verwendung von Schriftbändern, die er den Protagonisten wie Sprechblasen von Comicfiguren zuordnet oder als Bildüberschrift am Bildrand auftauchen läßt. In Afrikas populärer Malerei ist es üblich, Titel oder Zeichenerklärungen auf den unteren Bildrand zu schreiben. Die Malerei fungiert bis heute in vielen Teilen Afrikas als Sprachrohr, um die Bevölkerung über gesellschaftliche und politische Ereignisse aufzuklären. Samba geht noch weiter, indem er Text als grundlegenden Bestandteil des Bildinhaltes begreift. Voller Humor kommentiert er seine farbenfrohen, mit vielen Details gemalten Szenen und verdichtet so Bildinhalte und sprachliche Ebene. Das Bild La femme Zairoise n'a pas droit au pantalon ("Die zairische Frau darf keine Hosen tragen") aus dem Jahre 1981 beispielsweise thematisiert eine Zeit, in der die Frauen in Zaire nicht das Recht hatten, Hosen zu tragen. Auch Männer waren von dieser Maßnahme betroffen und durften keine Krawatten oder Anzüge mehr tragen, die als "Zeichen der Entfremdung" durch den kolonialen Einfluß galten. Eine von Sambas Protagonistinnen in diesem Bild kommentiert sarkastisch: "Ich habe Angst, eine Hose anzuziehen. Es sieht so aus, als ob sie in der letzten Zeit recht viele Frauen verhaften, die Hosen tragen. Ich trage lieber ein durchsichtiges Kleid, denn in dem sieht man meinen Hintern genauso." Eine zweite Frau umgeht das Verbot, indem sie sich den Trick aneignet, ihre Nationalität zu fälschen.
In seinen Bildern erneuert Samba die Tradition der Selbstporträtmalerei. Er setzt sich selbst in seinen Bildern in Szene, als Hauptperson, als Mitspieler oder nur als Zuschauer. Er beobachtet, kommentiert und urteilt. Bei all den schmeichelhaften Rollen, die er sich gibt, fehlt niemals eine Spur von Ironie: Als Playboy von Frauen belagert oder als zentrale Figur unter den Badenden im lasterhaften Schwimmbad in La Prostitution à la piscine (Die Prostitu-tion im Schwimmbad). In dem 1979 entstandenen Bild Chéri Samba implore le cosmique stellt er sich weinend zum Himmel flehend dar, nachdem er im Wald mit zwei Frauen verbotener-weise Liebe gemacht hat: "Oh mein Gott, erbarme Dich meiner, denn ich habe gerade eines Deiner Gebote gebrochen. Ich weiß nicht, wer mich verführt hat, und ich hoffe, daß mein Herz bei der nächsten Verführung standhaft bleiben wird". Eines seiner ersten Selbstporträts gibt sich ganz unbekümmert den Titel Son Eminence-dessinateur Samba (Seine Eminenz, der Zeich-ner Samba). Erst 1979, nach bereits siebenjährigem Schaffen, gibt er sich den Beinamen Chéri, der auch von anderen jungen Malern verwendet wird und der, was ihn betrifft, gleich-zeitig Aussage und Programm ist.
Chéri Samba zieht alle Register der Malerei. Er erfindet neue Techniken, mogelt mit der Perspektive und den Proportionen, vereint das Unvereinbare, den Hyperrealismus und die Karikatur, die klare Linie und die Abstufungen, großflächige Malerei und dicken Farbauftrag, die Rundungen der Körperformen und die spitzen Winkel der Dekors - die häufig kitschig, unwirklich und realistisch zugleich sind. Seine Malerei ist für Samba, wie er selbst feststellt, die beste Möglichkeit, seine Ideen und Gedanken über seine Kultur und die Zivilisation auszudrücken. J'ai une valise pleine d'idées - […] et si Dieu me prête vie, je prendrai le temps de toutes les exploiter. (Ich habe einen Koffer voller Ideen - [...] und wenn Gott mir ein langes Leben gewährt, werde ich Zeit haben, sie alle auszuschöpfen.)
Zur Ausstellung ist ein Katalog mit einem Interview zwischen dem Künstler und André Magnin erschienen.
Unser Dank gilt dem Hauptsponsor Volkswagen Bank.
Ebenfalls danken wir der Stadt Braunschweig, dem Land Niedersachsen und dem Hofbrauhaus Wolters.