Tris Vonna-Michell
Puzzlers
Parallel zur Präsentation von Mark Wallinger hat der Brite Tris Vonna-Michell (geb. 1982) auf Einladung von Ursula Schöndeling eine Ausstellung für den Cuboid konzipiert.
Tris Vonna-Michell erzählt Geschichten. Rasend schnell entwickelt er aus einer Episode ein ganzes Geflecht von Erzählungen, mit denen er sein Publikum in den Bann zieht. Er überrascht mit feinen Tonfall- und Tempiwechseln sowie plötzlichen Wendungen – sich selbst immer einen Schritt voraus und auf die nächste Richtungsänderung gefasst. Und so zeichnet der Gang durch die Geschichten ihre Entstehung nach, die Recherche, die ihnen vorausgeht: der zufällige Fund, das „Hören-Sagen“, die detektivische Spurensuche, die Rekonstruktion vergilbter Erinnerung, die Dokumentation, das Weiter-Erzählen.
Tris Vonna-Michell erzählt Geschichte. Er setzt so die lange Tradition mündlicher Überlieferung fort und verhandelt in neuer Form Erinnerung. Dabei bewegt er sich in der Grauzone zwischen Fakt und Fiktion. Aus dem Spiel mit der Fragwürdigkeit bestimmter Erzählelemente, der Vermischung von „privater“ und „politischer“ Geschichte und verschiedenen „dokumentarischen“ Medien collagiert er einen hybriden Geschichtsraum, der gleichzeitig die Möglichkeit von Geschichtserzählungen reflektiert: Bei der mündlichen Erzählung passt er die Erzählfolge den jeweiligen Erzählumständen und -zeiten an. Die Geschichte verändert sich demzufolge beständig, gewinnt durch Pointierungen, weist aber keine lineare Struktur und Eindeutigkeit auf. Im Ausstellungsraum verdichtet sich das Nebeneinander von Texten, (Film)-Bildern, Requisiten und Tonspuren, die alle Werkzeuge der mündlichen Erzählung sind, zu einem sich kommentierenden und ergänzenden Neben- und Miteinander verschiedener Zeiten und Perspektiven, zur Heterotopie.
Auch der Titel seiner ersten institutionellen Einzelausstellung in Deutschland, Puzzlers, verweist auf Versuche der (Re-)Konstruktion von Geschichte. Seit 2005 arbeitet Tris Vonna-Michell an einem fortlaufenden Projekt, dessen Ausgangspunkt eine Zeitungsmeldung über die umfassende Vernichtung von Stasiakten im Herbst 1989 war. Für die Ausstellung in Braunschweig entstand ein neues Kapitel der Erzählung: Puzzlers beschreibt die Tätigkeit der Arbeitsgruppe “Rekonstruktion“ der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR.